2012 wurde ich Vorsitzender des Berliner Vereins Mafianeindanke e.V.. Und ganz ehrlich, erst Jahre(!) später fiel mir ein, dass ich bei einer der ersten Veranstaltungen des Vereins zu Gast war: Eines Abends zwängte ich mich mit unzähligen anderen Leuten in einen winzigen Raum der Berliner Humboldt-Uni. Vorne saßen mehrere Referentinnen und berichteten zum Thema „Frauen und Mafia“. Nie hätte ich damals gedacht, dass ich einmal mehr als zwölf Jahre lang Vorsitzender des Vereins sein würde!
Eine Mafia-Hochburg?
Der Präsident des baden-württembergischen LKA, Andreas Stenger, hat sich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa zum Thema Mafia in Baden-Württemberg geäußert. Er sagte, man habe 170 Personen auf dem Radar und gehe von einer höheren Dunkelziffer aus. Stenger sagte auch, man wolle untersuchen, wie viele dieser Personen einen Waffenschein hätten und anregen, diesen einzuziehen. Das finde ich eine sehr wichtige Initiative und ich wünsche ihr viel Erfolg.
Die dpa hat auch mich in der Folge um eine Einschätzung gebeten. Ich bin ebenso der Meinung, dass es eine hohe Dunkelziffer an Mafiosi in Baden-Württemberg gibt. Wichtig ist mir aber auch, dass das Land keineswegs eine Sonderrolle einnimmt, es ist eine, aber nicht die Mafia-Hochburg in Deutschland. Wir sollten nicht den Fehler machen und mit dem Zeigefinger auf ein Land deuten, sondern vielmehr diese Erkenntnis zum Anlass nehmen, das Problem auch in anderen Bundesländern endlich ernst zu nehmen.
Die Familie aus Genua
Fehler zu machen, gehört zu Recherchen dazu: Meine Beschäftigung mit dem Thema Mafia fing folgendermaßen an: Ich recherchierte zu toxischen Abfällen, ein Polizist sagte mir, dass bei der Entsorgung auch eine „Famiglia Genovese“ eine Rolle gespielt habe, was so viel heißt wie eine Familie aus Genua. Ich suchte und suchte in meinen Akten und in Datenbanken, um einen Bezug zu der Stadt zu finden, es war vergeblich. Natürlich, denn der Polizist meinte die Mafia-Familie mit dem Nachnamen Genovese, die vor allem auch in den USA eine große Nummer in der Abfallentsorgung war.
Countdown
In einem Monat erscheint mein Buch GERMAFIA im Westendverlag. Darin berichte ich aus fünfzehn Jahren Arbeit zum Thema Mafia und Antimafia, als Journalist und auch als Vorsitzender des Vereins mafianeindanke. Ich werde von nun an täglich einen Post zum Thema erstellen, mit interessanten Begebenheiten, Making-of oder einfach mit Sachen, die mir wichtig erscheinen und die es nicht ins Buch geschafft haben. Und eigentlich will ich mir damit nur die Nervosität bis zur Veröffentlichung vertreiben… Ich wünsche viel Spaß beim Lesen!
Mein neues Buch GERMAFIA erscheint am 6. Mai!
Ich freue mich sehr, mein neues Buch GERMAFIA ankündigen zu dürfen. Ich berichte darin über 15 Jahre Recherchen und erkläre auch, wie man als Mafia-Journalist arbeitet. Ein Jahr schreiben, mehr als 300 Seiten, die (hoffentlich/gewiss) spannend zu lesen sein werden!
Die Mafia bei mir zuhause
Seit mehr als zwei Jahren war dieser Vortrag geplant. In meinem Heimatort Obereisesheim und dem Nachbarort Untereisesheim gibt es einmal jährlich das so genannte Männervesper. Eingeladen sind, wie der Titel schon sagt, Männer aus den beiden Orten, es gibt Hausmacher Kost und dazu einen Vortrag zu ganz verschiedenen Themen. Für den Herbst 2020 war mein Vortrag geplant, dann kam Corona. In diesem Jahr wird es nun aber klappen, hoffentlich: am 17. November werde ich im Evangelischen Gemeindehaus in Untereisesheim über die italienische Mafia in Baden-Württemberg sprechen.
Das Thema verfolge ich inzwischen seit rund 15 Jahren. Ich habe 2009 beobachtet, wie der dann 2018 festgenommene Mafioso Mario L. aus Stuttgart Gäste für seine Ferienanlage in Kalabrien am Flughafen Bari abgeholt hat. Ich habe 2012 als erster über die Festnahmen im Bodensee-Raum berichtet, ein Thema, was damals wenig Beachtung erfuhr. Inzwischen ist das anders, wenn es zu Festnahmen in Deutschland kommt, dann klingelt mein Telefon in einem fort, das Interesse der Medien ist deutlich gewachsen.
Was allerdings weniger bekannt ist: Auch die Zahl der Mafiosi in Deutschland wächst beständig an. In Zusammenarbeit mit der Bundestagsfraktion der Grünen hat mein Verein mafianeindanke mit Kleinen Anfragen an die Bundesregierung dafür gesorgt, hier mehr Transparenz zu schaffen: Auf zuletzt 770 bekannte Mitglieder der italienischen Mafia-Organisationen und eine vermutete Dunkelziffer von 800-1000 Personen sind die Zahlen gestiegen. Ich persönlich stehe solchen Zahlen skeptisch gegenüber. Es gibt ja keine öffentliche Mitgliederliste der Mafia und zudem agieren italienische Antimafia-Staatsanwälte mit sehr viel höheren Zahlen.
Aber die Tendenz bestätigt sich mir auch so: die Aktivität der Mafia-Organisationen in Deutschland nimmt zu. Das ist gefährlich, zumal die Clans sich beileibe nicht nur in illegalen Geschäften wie Waffen- und Drogenhandel betätigen, sondern ihr schmutziges Geld in alle möglichen Geschäftszweige investieren.
Was mich aber besonders mit Sorge erfüllt ist die Tatsache, dass der Heilbronner Raum kein weißer Fleck auf der Landkarte ist. Schon vor Jahrzehnten gab es einzelne Treffer.
Inzwischen sind Mafiosi im Unterland verhaftet worden und selbst nach Neckarsulm, meine Heimatstadt, sind Bezüge erkennbar. Insofern ist ein Vortrag genau dort ein sehr wichtiger Termin für mich, denn gerade in meiner Heimat beschäftigen sich die Menschen wenig mit dem Thema Mafia, auch wenn die Lokalzeitung Heilbronner Stimme zu den Festnahmen 2021 und 2022 sehr gute Arbeit geleistet und recherchiert hat.
Ich hoffe, dass ich mit meinem Vortrag dazu beitragen kann, dass das Thema weiter in den Fokus rückt und unsere Gesellschaft vor Mafia-Einflüssen künftig besser geschützt ist. Es ist eine Herkulesaufgabe, aber irgendwann muss man ja damit anfangen.
PS: Das Bild hat meine Mutter aufgenommen und ich wünschte mir, mein Vater, ein stets aufrichtiger Mann, könnte meinen Vortrag noch miterleben.