Ich bin heute von einem Redakteur des SWR für das Radio interviewt worden, begleitend zu einem Fernsehbeitrag heute Abend über den am 8. Januar festgenommenen Mario L. und die Mafia in Baden-Württemberg. In dem Gespräch weise ich auch auf die Staatsanwaltschaft in Stuttgart hin, die regelmäßig italienische Ermittler ausbremst. Es gäbe noch immer sehr viel zu berichten über die Mafia in Baden-Württemberg, mit den Verhaftungen vom 8. Januar wurde nur eine Spitze des Eisbergs öffentlich bekannt. Die Unwissenheit in diesem Kontext ist leider sehr groß. Dabei findet man recht schnell viele Informationen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Und er oder sie käme auch nicht auf die Idee, bei Mario L. von einem „Doppelleben“ zu sprechen wie hier in diesem Text. Wer L. kannte, konnte wissen, dass er Mafia-Verbindungen hat. Es ist eben nicht so, dass die Mafia völlig im Verborgenen agiert. Es ist auch nicht so, dass niemand weiß, wer zur Mafia gehört. Es ist eher so, dass es die Leute schlichtweg nicht interessiert, ob ihr ach so netter „Italiener“ Mafioso ist, Hauptsache, das Essen schmeckt.
Kalabrische Verhältnisse in der deutschen Provinz
Als in der Nacht vom 8. zum 9. Januar die Türen in Hessen und Baden-Württemberg den Rammböcken der Polizei nachgaben und krachend splitterten, als elf mutmaßliche Mafiosi aus dem Schlaf gerissen wurden, als zeitgleich Mario L. in Kalabrien verstand, warum er in eine Straßenkontrolle geraten war und so lange auf dem Polizeirevier festgehalten wurde, ohne zu erfahren warum, als die Polizei 159 weitere Mafia-Verdächtige eingesammelt und festgenommen hatte, da nahm eine Großoperation ihren Lauf, der ein erwartbares Schicksal beschieden sein dürfte.
Zunächst finden solche Massenfestnahmen große Resonanz in den Medien. Alle sprechen vom wichtigsten Schlag gegen die ’ndrangheta seit XX Jahren und man glaubt, völlig unerwartet, schlagartig, überraschend sei die Mafia in Deutschland entdeckt worden. Natürlich findet sich auch die übliche Berichterstattung, die bar jeden Hintergrundwissens Dinge in die Welt hinausposaunt und nicht zwischen Clans und Organisation unterscheiden kann. Geschenkt. Es werden dann die üblichen Fragen gestellt: Was macht die Mafia in Deutschland? Wo sind die Mafiosi in Deutschland ansässig? Ist das gefährlich? Was bedeutet dieser Schlag?
Es sind wichtige Fragen, zweifelsohne. Aber es ist leider nur ein kleiner Teil der Fragen, die beantwortet werden müssten. Und es sind Fragen, die zeigen, wie wenig nachhaltig das Vorgehen gegen die Mafia außerhalb Italiens und damit auch in Deutschland ist.
Normalerweise hält diese Beachtung eine, vielleicht zwei Wochen an, dann versinkt das Thema Mafia wieder in der Nichtbeachtung. Ohne, dass Strukturen ausgeleuchtet würden. Ohne, dass Namen genannt würden. Ohne, dass langfristig die deutsche Politik- und Wirtschaftsordnung gefährdende Schwächen im Strafverfolgungsregime in der Bundesrepublik benannt würden. Ohne, dass vorhandene Verflechtungen zwischen Mafia und Politik oder zwischen Mafia und Wirtschaft dargestellt würden. Dann geht alles weiter wie zuvor. Bis zum nächsten „Schlag gegen die Mafia“.
Insofern ist jede Maxi-Operation immer auch etwas frustrierend für Journalisten wie mich, die sich mit dem Thema seit Langem befassen: man hofft immer, dass Deutschland nun doch erwachen möge, doch man hofft vergebens. Deutschland verfällt immer und immer wieder in den Dämmer und die Mafia kann weiter munter hierzulande investieren. Zugleich wird ein Gutteil der Festgenommenen wieder freigelassen, weil man ihnen doch nichts nachweisen kann oder weil die deutsche Justiz den Italienern einen Strich durch die Rechnung macht. Oder oder oder. Justizinstitutionen können extrem widerspenstig sein, wenn es um die deutsch-italienische Kooperation geht.
(Wie sehr das Thema Mafia unterschätzt wird, zeigt sich übrigens auch in dem unwürdigen Angebot einer großen überregionalen Zeitung, die eine Exklusivgeschichte von mir unter Bedingungen annehmen wollte: der Name des lokalen Korrespondenten müsse ebenfalls über der Geschichte stehen und man bezahle 250 Euro. Thema der Recherche: wie eine deutsche Staatsanwaltschaft systematisch Mafia-Ermittlungen hintertreibt und Ermittlungen unterlässt, obwohl ein gravierender Vorwurf gegen einen mutmaßlichen Mafioso, basierend auf einer qualifizierten Quelle, im Raum stand. Klar, dass es dann gefährlich wird, nehme ich auch noch gerne gratis in Kauf.)
Für den Stern war ich nun gemeinsam mit dem lieben Kollegen Norbert Höfler unterwegs, um das Wirken des Farao-Clans in Deutschland nachzuzeichnen, also der Gruppierung, die am 8. Januar durch eine von Italien aus gegen Widerstände vorangetriebene Polizeioperation geschwächt worden ist. Heute, am 28.3., erscheint das Heft mit unserer Reportage. Um ehrlich zu sein, als wir uns auf einen Zuschnitt der Geschichte einigten, war ich nicht ganz zufrieden. Ich hielt es für nicht allzu spannend, sich entlang den Orten zu bewegen, die wir aus den italienischen Ermittlungsunterlagen kannten. Ich lag kräftig daneben. Denn dieses Setting verschaffte mir Einsichten, die ich so nicht nur nicht erwartet hätte. Nein, sie haben mich geradezu schockiert.
Ich war für Recherchen im Mafia-Milieu schon an vielen Orten unterwegs. In Kalabrien, Sizilien und Neapel natürlich, aber auch im Allgäu, in Stuttgart, Ludwigshafen, Pforzheim und in Frankfurt etwa. Ich war aber noch nie in Melsungen, Borken, Fritzlar, Waldorfhäslach oder Kerstenhausen. Vor allem die Verhältnisse in der hessischen Provinz waren erschreckend: die Verhältnisse dort erinnerten mich sehr an tiefstes Kalabrien.
Dass Deutsche in blinder Zuneigung zum sympathischen Dolce-Vita-Italiener gerne auch mal die Mafia-Verdächtigkeit einiger ausblenden, war mir natürlich bekannt. Was insofern dennoch bitter ist, wie es eines der strukturellen Merkmale in Deutschland ist, die der Mafia das Leben leicht macht. Aber was ich nicht erwartet hätte, ist dass die Mafia inzwischen in manchen Gegenden eine Kontrolle über das Territorium erlangt hat, die ich so nur von Kalabrien kenne. Da werden Eindringlinge von außen wie eben wir Journalisten sofort unter Beobachtung genommen. Da wird ganz entspannt mit freundlichem Ton gedroht – nicht nur uns gegenüber, auch gegenüber anderen Kollegen und Kolleginnen fielen dieselben Worte. Da werden deutsche Unternehmer mit dem Tod bedroht. Da tut die Polizei im ländlichen Raum nichts oder bekommt nichts mit, was im Endeffekt genauso schlimm ist. Wohlgemerkt handelt es sich bei den Mafia-Verdächtigen nicht um Zugereiste, die erst seit Kurzem vor Ort sind. Nein, es sind Geschäftsleute, die bereits vor vielen Jahren auffällig wurden in unterschiedlichen kriminellen Kontexten, die schon vom BKA als Mafiaverdächtige in Berichten geführt wurden, Leute, die nichts zu befürchten hätten, wenn nicht italienische Ermittler deutsche Sicherheitskräfte zum Jagen tragen würden. Da gerät die Polizei nach Festnahmen in Misskredit, weil sie dem ach so netten Gastwirt nachstellt. Der Gipfel der Ignoranz war, dass eine Frau eine (von den Polizeimaßnahmen nicht betroffene) Wirtin beschuldigte, auf dem Rücken der Konkurrenz Werbung für sich zu machen. Was war geschehen? Bei der betroffenen Wirtin waren Anfragen angegangen, ob sie etwas mit den Mafia-Festnahmen zu tun hatten. Daraufhin distanzierte sich die italienische Wirtin auf ihrer Facebook-Seite von der Mafia. Prompt wurde ihr dies zum Nachteil ausgelegt, der Mafia-Gastwirt dagegen in Schutz genommen. Ich weiß, es klingt dramatisch, aber wenn die Gefährlichkeit der Mafia nicht erkannt wird und mutmaßlich Kriminelle von ehrlichen Bürgern verteidigt werden, dann geht es meiner Meinung nach um die Grundfesten unseres demokratischen Zusammenlebens.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Waiblinger Kreiszeitung lobend zu erwähnen, die als doch eher kleineres Medium derzeit in einer mehrteiligen Serie über die ’ndrangheta vor Ort aufklärt.
Ich weiß, dass auch dieser Blogeintrag nichts bringen wird. Aber wenn wir dann in zehn, zwanzig Jahren norditalienische Verhältnisse haben, wo man auch lange glaubte, die Mafia sei ein Problem Süditaliens und wo heute Gemeinderäte wegen Mafia-Infiltrationen aufgelöst werden müssen und manche Geschäftsbereiche nicht mehr von kriminellen Vertretern zu reinigen sind, wenn es also auch in Deutschland so weit gekommen sein wird – und es zeichnet sich ab, das dass passieren kann – dann werde ich wenigstens in den Spiegel sehen können.
Dies ist zwar ein schwacher Trost, aber irgendwie muss man sich ja motivieren.
Drei Italiener im Mordfall Kuciak festgenommen
Slowakische Medien berichten, dass drei Italiener im Zusammenhang mit dem Mord an Jan Kuciak festgenommen worden sind. Dabei handelt es sich um zwei Söhne des Bosses des Vadalá-Clans, Giovanni Vadalà. Sie sind den Angaben zufolge verbündet mit dem Clan Nucera aus Condofuri bei Reggio Calabria. Dieser Clan ist in der Schweiz ebenfalls mit Einschüchterungen von Journalisten auffällig geworden. In Italien sind zwischen 2006 und 2014 mehr als 2000 Journalisten von der Mafia bedroht worden. Im Ausland gibt es darüber bisher wenig Erhebungen. Es sind aber auch dort, auch in Deutschland, Bedrohungen durch Mafiosi bekannt. Ich würde soweit gehen und sagen, dass Sätze wie „Wer Fehler macht, bezahlt!“ zum Standardrepertoire von mafianahen Kreisen gehören. Das Problem ist: Einschüchterungen sind strafrechtlich schwer zu fassen, erst recht, wenn sie in indirekter Form ausgesprochen werden wie das Mafiosi gerne tun, etwa in dem beschriebenen Satz, oder verpackt als „freundliche Empfehlung“ wie „Passen Sie gut auf sich auf!“.
Wer italienisch spricht und sich en Detail für den Mafia-Hintergrund der jetzt Verhafteten interessiert, dem sei dieser Artikel von Lucio Musolino empfohlen, der wie immer gut unterrichtet ist.
Zum Mord an Jan Kuciak und seiner Partnerin Martina Kusnirova
Vor wenigen Tagen sind der slowakische Journalist Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova von bislang unbekannten Tätern erschossen worden. Ich bin erschüttert, dass nach Daphne Caruana Galizia ein weiterer Journalist wegen seiner Arbeit in Europa ermordet worden ist. Presseberichten zufolge waren um die Leichname der Beiden Patronen drapiert, als Warnung für weitere Journalisten. In Europa sollte eine Diskussion in Gang kommen, wie man Medienschaffende besser schützen kann. Vor allem aber darf sich das Töten von Journalistinnen und Journalisten nicht auch noch lohnen. Als eine Konsequenz aus dem Mord an Jan Kuciak und Martina Kusnirova sollte schon jetzt als Sofortmaßnahme eine verschärfte Kontrolle der Subventionsempfänger umgesetzt werden. Warum? Möglicherweise stand dieses Thema für die Mörder im Fokus.
Das Magazin, für das Kuciak arbeitete, Aktuality.sk, veröffentlichte inzwischen die Recherchen des ermordeten Kollegen. Er arbeitete gemeinsam mit tschechischen Journalisten und italienischen Kollegen des Investigative Reporting Project IRPI an seinen Geschichten. Den Angaben zufolge recherchierte er über Antonino Vadalà aus Bova Marina im Süden Kalabriens. Aktuality.sk schreibt weiter, der Mann habe sich wegen Mafia-Zugehörigkeit und einem Mord vor Gericht verantworten müssen, er sei aber freigesprochen worden mangels Beweisen. Vadalà zog Aktuality.sk zufolge in die Slowakei, arbeitet dort, anfangs in der Landwirtschaft, bevor er mit einer Frau, Maria Troškova, die im Wirtschaftsministerium arbeitete, ein Unternehmen gründete, Gia Management. In anderen Berichten wird Maria Troskova auch als Assistentin des Premierministers Robert Fico bezeichnet. Jedenfalls war es diese Verbindung zwischen Troskova und Vadalà, die den Ausgangspunkt von Kuciaks Recherchen bildete. Er fand in der Folge heraus, dass im Osten der Slowakei mehrere Clans vertreten sind und zusammenarbeiten. Die Clans besitzen mehrere Unternehmen, insgesamt 56, und bekommen viele Millionen an Subventionszahlungen.
Ermittlungsunterlagen bestätigen, was aktuality.sk schreibt, dass nämlich ein Antonino Vadalà Mafia-Mitglied war. Vadala hat laut Akten, die mir vorliegen, von seinen Kumpanen den Spitznamen „Nino“ bekommen (es ist in Mafiakreisen üblich, die Personen nicht bei ihrem bürgerlichen Namen zu benennen, sondern mit ihrem Spitznamen). mehrere Mitglieder des Vadalà-Clans mussten sich bereits wegen verschiedener Vergehen vor Gericht verantworten. Als bedeutende Gruppierung ist der Clan aber nicht bekannt. Sein Heimatort Bova Marina ist eine Gemeinde, die seit Langem für Mafia-Kontaminationen bekannt ist. Unter anderem finden sich dort Vertreter des Morabito-Clans, der auch enge Deutschlandbezüge unterhält, zum Beispiel lebte der Boss Giuseppe Morabito, U Tiradrittu, bis zu seiner Verhaftung hier. Auch der Vadalà-Clan ist Gerichtsunterlagen zufolge hier ansässig. Eine Vielzahl von Angehörigen der Vadalà-Familie ist auch außerhalb Kalabriens vertreten, zum Beispiel auch in Norditalien.
Sollte der von Aktuality.sk beschuldigte Antonio Vadalà tatsächlich der Mörder sein, gibt es nach der Logik der ’ndrangheta zwei Erklärungsansätze.
– Entweder Kuciaks Recherchen wären mit ihrer in Kürze anstehenden Veröffentlichung derart geschäftsschädigend für die ’ndrangheta gewesen, dass sich sein Tod mit all seinen Konsequenzen für die ’ndrangheta rechnete. Dies würde auch bedeuten, dass das oberste Führungsgremium den Mord an Kuciak genehmigt hätte, denn eine Tat mit einer solchen Tragweite ist den internen Regelungen der ’ndrangheta zufolge definitiv genehmigungsbedürftig durch das Leitungsgremium, die mamma. Oder aber
– es handelt sich bei dem Mord um eine nicht genehmigte Tat eines einzelnen Mafioso. Dies ist insofern wahrscheinlicher, wie die ’ndrangheta seit den Sechsfach-Morden von Duisburg weiß, dass jedes Blutvergießen nachteilig für sie ist und die Aufmerksamkeit nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch der Ermittler auf sich zieht. Dies gilt insbesondere in Ländern, die noch nicht allzu stark für die Gefahren durch die italienische Mafia sensibilisiert sind. Zu diesen Ländern dürfte neben so vielen auch die Slowakei zählen.
Ich halte daher die zweite Variante für viel wahrscheinlicher. Ich hoffe, dass die Ermittlungen bald mehr dazu ergeben werden. Die Antimafia-Staatsanwaltschaft in Reggio Calabria teilte mir mit, sie könne den Sachverhalt noch nicht bewerten; das Bild sei unklar und präzise Aussagen daher im Moment unmöglich.
Sollte Variante 1 dagegen zutreffend sein, bedeutete dies eine dramatische Veränderung: Die ’ndrangheta hätte dann einen Strategiewechsel vollzogen. Sie nimmt das Aufsehen, das ein Mord im Ausland erregt, bewusst in Kauf.
Losgelöst von diesen Überlegungen ist folgendes festzuhalten:
– Nach Daphne Caruana Galizia ist erneut ein Journalist Opfer eines Netzwerks von Mafia, Politik und Wirtschaft geworden.
– Die europäische Subventionspolitik wird offensichtlich nicht nur in Italien von Mafiaclans für sich genutzt, sondern auch im Ausland. Das Subventionswesen ist daher radikal zu überprüfen; die Vergabe von Subventionen muss eng an polizeiliche Maßnahmen gekoppelt werden. Zu überlegen ist auch, ob man analog zu Italien ein Zertifikat als Voraussetzung für Subventionszahlungen einführt, dass belegt, dass ein Unternehmen keine Mafiakontakte unterhält. Dazu gehört auch, mehr Transparenz in Bezug auf wirtschaftlich Begünstigte von Unternehmen. Das Transparenzregister muss öffentlich einsehbar sein.
– Die bisherigen Gesetze müssen wirkungsvoll verschärft werden. Die Mitgliedschaft in höher organisierten kriminellen Gruppen wie in Mafiaclans muss europaweit ein Straftatbestand sein. Die Kooperation der Strafbehörden auf europäischer Ebene muss verbessert und vereinfacht werden, dazu gehört auch eine Harmonisierung der Gesetze.
Wenn die Mafia wirklich Jan Kuciak auf dem Gewissen hat (und nicht die politischen Kreise, die von seinen Recherchen bedroht worden sind), dann sind dies Anzeichen einer Machtprobe der Mafiaclans mit dem Staat.
Der Kemptener Koksskandal nimmt kein Ende…
Gleich steht in Kempten Stefan Albanesi vor Gericht. Er hatte die Kemptener Polizei in Teilen als kriminell und korrupt bezeichnet und muss sich nun wegen dieser Aussage verantworten. Albanesi hatte mich als Zeugen laden lassen, der Richter, der die Verhandlung führen wird, hat dies aber abgelehnt, ohne ihn darüber zu informieren. Genauso wie alle anderen Entlastungszeugen, die Albanesi laden lassen wollte. Auch ein Pflichtbeistand ist ihm versagt geblieben.
Abgesehen davon, dass ich der festen Überzeugung bin, dass eine solche Aussage durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist (analog zu der Aussage „Soldaten sind Mörder“), habe ich Albanesi eine eidesstattliche Erklärung zukommen lassen mit dem folgenden Wortlaut:
Erklärung an Eides statt
Ich, Sandro Mattioli, geboren am XX.XX.XXXX in Heilbronn-Neckargartach, ledig, tätig als Journalist mit einem Schwerpunkt auf Organisierte Kriminalität, erkläre an Eides statt:
Für das Magazin Stern habe ich über einen längeren Zeitraum über den Kokainfund im Büro des Leiters der Kemptener Drogenfahndung berichtet. Ich habe dabei mit einer Vielzahl von sachverständigen und involvierten Personen gesprochen. Deren Identität werde ich mit Verweis auf den Quellenschutz nicht nennen. Allerdings erkläre ich Folgendes:
– Eine von der Kemptener Justiz als Drogendealer belangte Person bestätigte mir persönlich, dass sie von Mitgliedern der Kemptener Polizei vor Polizeieinsätzen gegen sie gewarnt worden ist. Die Quelle nannte mir die Namen dreier Polizisten, die Warnungen überbracht haben. Diese Darstellung wird vermutlich auch von einem TKÜ-Protokoll bestätigt – vermutlich deshalb, weil ich von der Existenz dieses Protokolls über eine andere Quelle Kenntnis erlangt habe, es mir aber nicht vorliegt.
– Ein weiterer Drogendealer war nach eigenen Angaben um Kokain angefragt worden. Da der Mann über keine Bezugsquelle verfügte, fragte er einen weiteren Drogendealer, mit dem er eng zusammenarbeitete. Diese Person nannte „die Polizei“ (in Kempten) als seine „Conni“, also seine Lieferconnection. Daraufhin lehnte der angefragte Dealer den Handel ab.
– Nach Angaben mehrerer, sehr glaubwürdiger Quellen entspricht weder der offiziell berichtete Auffindeort bzw. die Umstände noch die Menge des im Büro des Drogenfahnders aufgefundenen Kokains den tatsächlichen Begebenheiten.
– Eine qualifizierte Quelle berichtete mir, dass ein Polizist mit mehreren hundert Iphones ungewisser Herkunft gedealt hat, Geräte seien auch innerhalb der Polizei verkauft worden. Auch diese Information wurde anderweitig bestätigt – nicht, was die genaue Anzahl anbelangt, wohl aber in Bezug auf den Sachverhalt.
Für weitere Nachfragen stehe ich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Sandro Mattioli
PS: Die Erklärung wurde heute im Gerichtsprozess verlesen – allerdings nur der allgemeine Teil. Die Spiegelstriche, und damit die inhaltlich relevanten Teile, wurden nicht wiedergegeben. Stattdessen nahm der Richter das Dokument zu den Unterlagen mit dem Hinweis, das Dargelegte tue nichts zur Sache.
Früher Zitronen, heute schlechte Pizza: Die Mafia in Sizilien
Wer erfahren möchte, wie die Cosa Nostra auf Sizilien entstanden ist:
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