SANDRO MATTIOLI

  • Germafia
  • Buchen
  • Kontakt / Impressum

Brutale Stille

12. Dezember 2012 von S M

In dieser Geschichte fehlt viel. Es fehlen Namen, es fehlen Leben, es fehlen Schuldige, und es fehlen Gräber. Vor allem aber fehlt es an einem: an Menschlichkeit. Eine Reise nach Sant’Anna, wo die deutsche Waffen-SS im August 1944 fast ein ganzes Dorf auslöschte.

Sant’Anna, 6. Dezember 2012, Kontext:Wochenzeitung

Auf die kleine Piazza vor der Kirche scheint die Sonne. Das Eis schmilzt unter dem Licht ihrer Strahlen, auch wenn diese im Spätherbst kaum wärmende Kraft haben. Der Blick reicht dank der klaren Luft weit, bis tief ins Tal hinunter fällt er. Erst nach einer Weile spürt man, dass hier die Stille herrscht. Eine unangenehm frostige Stille. Sie ist nicht Ruhe und nicht Entspannung. Sie ist vielmehr verstummte Gespräche, der Mangel jener Geräusche, die das Leben hervorbringt. Es ist menschengemachte Stille, und sie währt in Sant’Anna di Stazzema schon lange: seit damals, seit 1944, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Brutale Stille, wenn man so mag.

Unter dem Eis der Piazza ist Gras zu erkennen. Breite Steinplatten bilden einen Weg zu der Kirche, deren Tür trotz der Kälte weit geöffnet steht. Kerzen leuchten im Inneren. Der Bau ist aus groben Steinen gebaut, im Inneren aber von einiger Eleganz. Dunkle Holzbänke stehen jetzt wieder in ihr. Dort, wo heute das Gras wächst, war vor 68 Jahren kein Halm mehr. [Weiterlesen…]

Kategorie: Artikel, Lieblingstexte, Reportagen Stichworte: August 1944, Auslöschen, Bürgermeister, Deutschland, Geschichte, Hiistoriker, Hitler, Klageerzwingung, Krieg, Kriegsverbrechen, Marzabotto, Massaker, Mörder, NS, Partisan, Pezzino, Pieri, Rechtsnachfolge, Sant'anna, Staatsanwaltschaft, Stazzema, Stuttgart, Sühne, toskana, Verband, Wehrmacht, Wiedergutmachung

Ein Krake, der lacht

16. November 2011 von S M

Der Sozialpädagoge Hartmut Gerger arbeitet im Jugendamt Stuttgart. die Kontext:Wochenzeitung hat ihn mehrere Wochen begleitet. Foto: Jo Röttgers

Stuttgart, 9.11.2011, Kontext: Wochenzeitung

Wie einen Kraken, der Kinder aus Familien reißt und ins Heim steckt, stellen sich viele das Jugendamt vor. Was die Mitarbeiter der städtischen Behörde aber wirklich machen, weiß kaum jemand. Häufig kümmern sie sich um krasse Fälle. Hartmut Gerger unterstützt Eltern, die sich überfordert fühlen. Gerger ist Sozialpädagoge und arbeitet im Stuttgarter Süden; wir haben ihm bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut.

Hartmut Gerger lacht gern und viel. So ein Lachen verrät viel über einen Menschen. Es kann offen sein und freundlich und dazu einladen, sich näherzukommen. Es kann scharfe Zähne freilegen, kann verletzen. Es kann aufgesetzt sein, dann blicken die Augen hart, und Fröhlichkeit erstarrt zur Maske. Hartmut Gergers Lachen ist vor allem stark. Selten laut, immer vornehm, und meistens trägt es etwas Mitfühlendes in sich. Nur an diesem Abend lacht Hartmut Gerger nicht. Der Sozialpädagoge, 46 Jahre alt, Mitarbeiter im Stuttgarter Jugendamt, gibt sich der Realität geschlagen. „Nach einem Tag wie diesem möchte ich am liebsten ein Weizenbier trinken gehen“, sagt er.

Gerger sitzt an dem kleinen, runden Tisch in seinem Büro im Stuttgarter Süden. Hierher kommen Menschen, die Rat suchen oder Hilfe brauchen: Eltern, die ihre Kinder vernachlässigen, Mütter, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Manchmal haben sie Kinder dabei, die mit der Erziehung ihrer Eltern überfordert sind. Oft ist Gewalt im Spiel. [Weiterlesen…]

Kategorie: Artikel, Lieblingstexte, Reportagen Stichworte: Amt, Behörde, Erziehung, Heim, Jugendamt, Missbrauch, Stuttgart

Das wilde Tier Angst

16. November 2011 von S M

Hartmut Gerger bearbeitet viele, viele Fälle parallel. Foto: Jo Röttgers. www.graffiti-foto.de

Stuttgart, 16.11.2011, Kontext: Wochenzeitung

Wer für das Jugendamt arbeitet, muss belastbar sein: Viele Menschen laden Ballast und Sorgen dort ab, dazu kommt die Angst, irgendetwas zu übersehen, irgendetwas falsch zu machen, mit der Folge, dass Kinder zu Schaden kommen. Das Amt tut zwar sehr viel, um dies zu verhindern. Doch die Sorge, dass doch einem Kind unter ihrer Zuständigkeit etwas angetan werden könnte, treibt die Mitarbeiter um. Teil zwei.

Wer für das Jugendamt arbeitet, muss belastbar sein: Viele Menschen laden Ballast und Sorgen dort ab, dazu kommt die Angst, irgendetwas zu übersehen, irgendetwas falsch zu machen, mit der Folge, dass Kinder zu Schaden kommen. Das Amt tut zwar sehr viel, dies zu verhindern. Doch die Sorge, dass doch einem Kind unter ihrer Zuständigkeit etwas angetan werden könnte, treibt die Mitarbeiter um.

Man kann Supervisionen machen, Besprechungen in der Gruppe, Besprechungen mit externen Experten, Vermerke schreiben, Vorgesetzte einschalten. Man kann die Papiere wieder und wieder lesen, noch einmal über den Fall schlafen oder hoffen oder beten. Aber eines kann man nicht: das wilde Tier Angst zähmen. Manchmal schläft es ruhig irgendwo im Hinterkopf, manchmal kratzt es leicht mit seiner Pranke an der Gehirnrinde, um zu sagen, ich bin auch noch da, vergiss mich nicht. Manchmal tobt es, ohne Gnade und unbeherrscht. Da ist es jedenfalls immer. Im Schnitt hält ein Kollege pro Jahr den Druck nicht mehr aus und gibt auf, sagt Johannes Schmitt-Althaus, bittet um Versetzung, will nicht mehr für das Jugendamt arbeiten. Schmitt-Althaus muss es wissen: Er ist zusammen mit einer Kollegin bei der Stuttgarter Stadtverwaltung für die 200 Mitarbeiter in den Beratungszentren zuständig.

Auch Hartmut Gerger kennt diese Angst. Es ist nicht so, dass sich der Sozialpädagoge ständig vor Augen führt, wie es wäre, plötzlich für die Misshandlung eines Kindes oder gar dessen Tod verantwortlich gemacht zu werden. Aber es ist eben auch nicht so, dass er es nicht tut. Das wilde Tier Angst, es schleicht zuweilen um jeden Mitarbeiter des Beratungszentrums Süd herum. Wenn Gerger erzählt, merkt man, dass er sich dessen stärker bewusst ist, als es ihm lieb ist. [Weiterlesen…]

Kategorie: Artikel, Lieblingstexte, Reportagen Stichworte: beratung, Erziehungsberatung, Erziehungshilfe, Jugendamt, Jugendbehörde, Missbrauch, Sozialarbeiter, Sozialpädagoge, Stuttgart, Süden, Vernachlässigung, verwahrlosung

Der Vierte Mann

12. Oktober 2011 von S M

And.y, die musikalische Eminenz im Hintergrund bei den Fantastischen Vier
And.y, die musikalische Eminenz im Hintergrund bei den Fantastischen Vier

Stuttgart, Oktober 2011, Kontext:Wochenzeitung

Andreas Rieke ist einer der größten Popstars in Deutschland, und doch kennt ihn kaum jemand. And.Y, so sein Künstlername, ist der letzte der Fantastischen Vier, der noch in Stuttgart lebt. Der Tonbastler Ypsilon wirkt oft schüchtern. Er schraubt in seinem Tonstudio in einem Keller im Süden der Stadt an neuen Liedern und bleibt auf der Bühne lieber im Hintergrund. Im Interview entpuppt er sich wider Erwarten als unterhaltsamer und amüsanter Gesprächspartner. [Weiterlesen…]

Kategorie: Interviews, Lieblingstexte Stichworte: And.y, Arrangeur, Baden-Württemberg, Band, Benztown, Charts, Die Fantastischen Vier, HipHop, Hit, Journalist, Komponist, Mattioli, Musik, Pop, Reporter, Sandro, Sandro Mattioli, Star, Studio, Stuttgart, troy

Copyright © 2025 · BLITZGEEK webdesign