SANDRO MATTIOLI

Reporter, Autor und Referent

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Neuartige Mafia-Ermittlungen bieten immer auch neue Ansätze für die Verteidigung

15. November 2018 von S M

Es ist schon ein paar Tage her, dass ich in Konstanz war und über das dort laufende Gerichtsverfahren gegen neun Mitglieder einer Drogenhändlerbande berichtet habe. Wer den Text nachlesen mag, findet ihn hier verlinkt. Der Besuch war hochinteressant: Nicht nur berichtete der Ermittlungsführer über die Arbeit, die ihm 1500 Überstunden eingebrockt hat. Nein, man konnte auch beobachten, wie die Anwälte der Hauptangeklagten nach Einhakpunkten suchen für mögliche Berufungsverfahren.

Wer wann wo in Italien auf Dienstreise war, wollten sie recht detailliert wissen. In dem Ermittlungsverfahren hatten die beiden Staatsanwälte den direkten Austausch unter den Polizistinnen und Polizisten  erlaubt. Die Rechtsanwälte suchen daher nun nach formalen Fehlern, die das Verfahren sprengen könnten. Bisher sind es allerdings nur die vielen Anträge seitens der Verteidiger, die das Verfahren sprengen, zumindest den Zeitplan. Das ist natürlich das gute Recht der Verteidiger, die ja für ihre Mandanten das optimal Ergebnis herausholen sollen. Trotzdem würde ich als Journalist mir natürlich wünschen, dass mehr zur Sache zur Erwähnung kommt im Gerichtsverfahren. Etwa die Frage, was das alles mit Mafia zu tun hat.

Diese Frage schwebt beständig über dem Verfahren. Ich persönlich habe den Eindruck, dass man es bei einem Teil der Angeklagten tatsächlich mit Mafiosi zu tun hat; die italienischen Kontakte sprechen dafür und auch, dass auch unter den Zuschauern schon eindeutige Mafiamitglieder gesichtet worden sind. Andere Angeklagte scheinen mir trotz recht „prominenter“ Nachnamen eher so reingerutscht. Ich jedenfalls bin gespannt, ob diese Frage noch vertieft wird. Bisher hat sie der  Vorsitzende Richter jedenfalls nicht behandeln wollen.

Kategorie: Blog, Italien, Mafia Stichworte: 'ndrangheta, Bande, Drogen, Gastwirt, Kilo, Konstanz, Mafia, Marihuana, Prozess, Schwarzwald, Schwenningen, Tuningen, Villingen

Ein vermeidbarer Tod

7. Oktober 2017 von S M

Das Städtchen Hechingen am Fuß der Schwäbischen Alb war bisher weniger als Ort schwerer Kriminalität bekannt. Zwei Schüsse und ein Gerichtsverfahren haben die Idylle nun aber jäh durchschnitten. Ein 23 Jahre alter Mann wurde dabei ins Herz getroffen und war sofort tot. Der Hintergrund: Internationaler Drogenhandel.

Der nun zu Ende gegangene Prozess zeigt, dass Italiener hier Drogenhandel im großen Stil, aber zum Teil auch auf dilettantische Art betreiben. Derart dilettantisch, dass es einem jungen Mann zum Verhängnis wurde, der nur am Rande mit dem Geschehen zu tun hatte. Der junge Mann wurde nämlich am 1.Dezember 2016 aus einem fahrenden Auto heraus erschossen: wegen einem Kilo Marihuana und dem nicht beglichenen Verkaufspreis, 5000 Euro. Der Prozess zeigt aber auch, dass sich die deutschen Strafverfolgungs- und Justizbehörden mit dem Thema Mafia schwer tun und dass die internationale Dimension des Drogenhandels leider ausgeblendet bleibt.

Gewöhnlich wird vor allem der Kokainhandel mit der italienischen Mafia assoziiert, doch auch Marihuana ist eine Ware, die von der italienischen Organisierten Kriminalität gehandelt wird. Allerdings nicht prioritär, aus zweierlei Gründen: zum einen bringt Marihuana nicht so hohe finanzielle Erträge wie Kokain mit seiner weit größeren Gewinnspanne. Zum anderen ist das Entdeckungsrisiko ungleich größer, aufgrund der weniger zuverlässigen Konsumentenschaft. Dennoch lassen sich auch von diesem Hechinger Fall Verbindungen in mafiöse Strukturen finden, man muss dazu aber bis nach Italien gehen.

Bei den polizeilichen Ermittlungen spielte es zwar sehr wohl eine Rolle, ob es einen Mafia-Hintergrund gibt. Da es für den Prozess in Deutschland aber weitgehend unbedeutend ist, ob die Angeklagten einen Mafia-Hintergrund haben, ist dies im Hechinger Gericht nicht geschehen. Die Zugehörigkeit zur Mafia war in Deutschland bis vor Kurzem nicht strafbar und auch jetzt, nach einer Gesetzesänderung, wird sie wohl nur in Einzelfällen als Anklagepunkt herangezogen werden. In Italien dagegen dient sie als Grundlage für Verurteilungen und kann sich zudem strafverschärfend auswirken.

Im nun in Hechingen verhandelten Prozess dagegen wäre diese Frage von immenser Bedeutung gewesen. Denn die Staatsanwaltschaft von Catania hat vor einigen Jahren im Rahmen der Operation Prato Verde einen Drogenhändlerring beobachtet. Dieser war vor allem in Sizilien operativ und unterhielt dort eindeutige Mafia-Kontakte. Ein Mitglied hielt sich auch in Deutschland auf. Der Mann war bereits in Italien festgenommen worden, musste aber aus formalrechtlichen Gründen wieder aus der U-Haft entlassen werden. Er siedelte dann nach Deutschland über, und auch dort war ihm das Glück lange hold: Ein Haftbefehl gegen ihn, den die Staatsanwaltschaft in Catania wegen Drogenhandels anstrengte, wurde von den deutschen Behörden vor etwas mehr als zwei Jahren nicht anerkannt. Eine Tatsache, die den italienischen Staatsanwalt noch Monate später zornig werden ließ. Er arbeite regelmäßig mit vielen Staatsanwaltschaften in Deutschland zusammen, aber so etwas habe er noch nie erlebt, schimpfte er am Telefon. Seine Ermittler hätten den Drogenhändlerring monatelang abgehört, dennoch seien die Ergebnisse bei den deutschen Behörden nicht für voll genommen worden.

Dieser Mann war der Drogenlieferant der zwei Nachwuchs-Dealer in Hechingen. Sie hatten den Mann, den Nicht-Festgenommenen also, unter dem Namen „Catania“  im Handy abgespeichert. Ein italienischer Ermittler berichtet im Gespräch, dass die deutsche Behörde sich daran störte, dass in den von ihnen belauschten Verkaufsgesprächen und -chats von „zweieinhalb Reifen“ die Rede sei. Diese Chiffre, die für sich genommen keinen Sinn ergibt, wurde von den Deutschen nicht als Code für Drogenlieferungen anerkannt, der gesamte Kontext der Kommunikation ignoriert.  Man muss hier bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft fast schon von einem gewollten Wegsehen ausgehen, so offensichtlich ist der Wille, die verwendeten Chiffre nicht zu verstehen. Dieses Ignorieren hatte zur Folge, dass der Betreffende in seiner neuen Heimat nicht nur ungestört walten konnte, sondern sogar wusste, dass die Polizei nichts gegen ihn unternehmen würde: sie hatte ihn ja auch in Deutschland nach seiner Festnahme wieder laufen gelassen.

Erst nach dem Hechinger Mord musste „Catania“ doch in Untersuchungshaft, gemeinsam mit eben diesen zwei Kunden, den jungen Männern. Denn „Catania“ war es, der den Nachwuchs-Dealern mindestens ein Kilo Marihuana verkaufte, das dann vom Käufer nicht bezahlt wurde. „Catania“ war es, bei dem die beiden jungen Männer Schulden hatte. „Catania“ war es, der – natürlich – auf der Zahlung der Schuld beharrte.

Die baden-württembergischen Behörden, die den Haftbefehl gegen den Mann damals nicht anerkannten, sollten sich nun ein paar Fragen stellen. Denn hätte der jetzt Inhaftierte den beiden jungen Drogendealer-Anfängern kein Marihuana verkaufen können, weil er bereits festgenommen gewesen wäre, hätte der Käufer keine Schulden bei Catania gehabt. Dann hätten die unprofessionellen Drogendealer auch nicht in Hechingen herumgeschossen, hätten nicht den Freund des Drogenkäufers getroffen und der 23 Jahre alte Mann würde heute noch leben. Aber die baden-württembergischen Behörden haben den Haftbefehl aus Italien eben nicht anerkannt.

Die Strafen wurden am Mittwoch, 18. Oktober, verkündet. Die beiden jungen Drogendealer wurden wegen gemeinschaftlichen Mordes zu Haftstrafen verurteilt: der 22-Jährige zu lebenslänglich, sein 21 Jahre alter Kompagnon im rahmen des Jugendrechts zu neun Jahren. „Catania“ bekommt drei Jahre und neun Monate wegen Drogenhandels. Die Verteidigung will Revision einlegen.

Kategorie: Blog, Mafia Stichworte: Catania, Drogen, Hechingen, Mafia, Marihuana, Prozess, Umut

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Ich arbeite für viele große deutsche, schweizerische und österreichische Medien: für Magazine schreibe ich Reportagen und bin Partner für Recherchen. Als Autor zeichne ich für TV-Beiträge verantwortlich, außerdem übernehme ich Auftragsrecherchen. Auch als Interview-Partner werde ich regelmäßig von deutschen Fernsehsendern und Radiostationen angefragt. Auch im Bereich von Fiction bin ich als Consultant für TV- und Plattformproduktionen aktiv.

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