SANDRO MATTIOLI

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Ohne viel Blut geht es für die Bild nicht

2. Mai 2018 von S M

Der Staatsanwalt Giuseppe Lombardo aus Reggio Calabria wird heute auf der Titelseite der Bild gefeiert als „härtester Mafiajäger der Welt“. Ich hatte ihn gemeinsam mit Christian Gramstadt für meine Doku für Arte und die ARD, Die Story, interviewt. Als mein Verein mafianeindanke Lombardo später, im Juli vergangenen Jahres, zu einer Antimafia-Konferenz zu Gast hatte, lernten wir ihn erneut als sehr reflektierten, bestens informierten, ruhigen und intellektuellen, sehr angenehmen Gesprächspartner kennen. Aber klar, das macht sich als Titelzeile nicht so gut. Mich persönlich ärgert es extrem, wenn bei der Beschäftigung mit der Mafia der Aspekt der Bedrohungslage so in den Vordergrund gerückt wird. Einfach weil es nicht der Realität entspricht. Ja, es ist gefährlich, sich mit der Mafia zu beschäftigen. Aber noch gefährlicher ist es, wenn sich niemand mit ihr befasst. Es ist trotzdem gut, dass die Bild sich für das Thema Mafia interessiert, selbst wenn sie den ersten Artikel der Serie mit blutigen Bildern en masse garniert. Und selbst wenn sie das mit blödsinnigen reißerischen Sätzen tut wie: „Die Mafiosi haben nichts übrig für Giuseppe Lombardo. Außer einer Kugel. Oder einer Bombe.“

Ich würde mir wünschen, dass sensationsgeile Medien wie die Bild lieber in den Fokus rücken, was in Deutschland in Bezug auf die Mafia los ist, dass Teile der Gesellschaft und Wirtschaft bereits infiltriert sind, dass auch die Sicherheitskräfte nicht sicher vor Mafiakontakten sind und dass Deutschland Investitionsziel Nr.1 für die ’ndrangheta ist. Das sollte in der Zeitung stehen! Ich erwarte von einem Medium wie der Bild, aber auch den anderen großen Medien, dass sie ihrer Aufgabe nachkommen und hierzu recherchieren. und nicht immer dieses Uuh, die Mafia ist gefährlich für die Leute, die sich mit ihr beschäftigen. Also, Bild: Los geht’s! Immerhin geben sie dem von mir sehr geschätzten Giuseppe Lombardo morgen erneut Raum, um über die Mafia in Deutschland zu sprechen.

Als Hintergrund: Giuseppe Lombardo ist mehrfach wegen seiner exzellenten Arbeit bedroht worden. Allerdings vermeidet die ’ndrangheta inzwischen Morde an bedeutenden Persönlichkeiten im Normalfall, weil es ihre Geschäfte stört. Der letzte Mord an einem Staatsanwalt war der an Antonino Scopelliti im Jahr 1991. Die Tat war wohl gemeinsam von Cosa Nostra und ’ndrangheta organisiert und begangen worden, da Scopelliti mit großem Erfolg gegen hochrangige Mafiosi ermittelt hatte.

Und noch ein Nachtrag: Ein Vorschlag von mir, über die Berichterstattung zur Mafia in Deutschland zu reflektieren, wurde vom Netzwerk Recherche, der Vereinigung investigativer Journalisten in Deutschland, aufgegriffen. Beim Jahrestreffen Ende Juni in Hamburg werden die freie Autorin Margherita Bettoni, Axel Hemmerling oder Ludwig Kendzia vom MDR, Giulio Rubino vom italienischen Projekt Irpi und ich darüber diskutieren.

Kategorie: Artikel, Blog Stichworte: bild, blut, Deutschland, Journalismus, Mafia, netzwerk recherche, sensationslüstern

Volle Ladung Dank

10. November 2014 von S M

Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft in Tübingen, hat eine schöne Verteidigung des Qualitätsjournalismus‘ in der Zeit mit dem Titel „Volle Ladung Hass“ veröffentlicht. Dennoch konnte ich es nicht lassen, ihm zu widersprechen: [Weiterlesen…]

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Wann endlich wird die Bundesregierung aktiv?

29. Juli 2014 von S M

Unser Justizminister Heiko Maas hat Edward Snowden Medienberichten zufolge empfohlen, in die USA zurückzukehren. Ich habe mich darüber mächtig geärgert und daher den folgenden Brief an ihn geschrieben. Vielleicht wollen ja auch andere Kolleginnen und Kollegen ihm die Meinung kundtun.

„Sehr geehrter Herr Maas,

ich möchte mit meinem Schreiben Bezug nehmen auf Presseberichte, denen zufolge Sie Edward Snowden geraten haben, in seine Heimat zurückzukehren, und mir erlauben, einige Anmerkungen zu diesem Thema zu machen – auch deshalb, weil nach meiner Ansicht mir die von mir nun angesprochenen Aspekte in der öffentlichen Diskussion bisher zu kurz kamen.

Ich möchte es in aller Deutlichkeit sagen: Ich erwarte von Ihnen als Bundesjustizminister, dass Sie sich für die Einhaltung meiner und unser aller Rechte einsetzen, angefangen bei der Bundeskanzlerin bis hin zu jedem Bürger Deutschlands, einschließlich Ihnen, dessen Kommunikations-Metadaten (und womöglich nicht nur diese) von amerikanischen und britischen (und womöglich nicht nur diesen) Geheimdiensten abgefangen und gespeichert werden. [Weiterlesen…]

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Der Froschkönig

1. Juli 2013 von S M

Rexhep Arapi, ein Froschfänger in Albanien. Foto: Sandro Mattioli

Nein, nicht. Noch nicht. Andon Shakaj hält den Türgriff seines schweren Geländewagens in der Hand und macht keine Anstalten, die Tür zuzustoßen. Der V6-Motor rumort schon eine Weile nicht mehr, der Wagen ist im asphaltierten Hof des Fabrikgeländes zum Stehen gekommen, doch der kleine Mann daneben bewegt sich keinen Schritt. Eigentlich könnte er jetzt vorangehen, durch das Rolltor, könnte die versprochene Besichtigung der Froschschenkelfabrikation beginnen. Shakaj aber, dem hier alles gehört, hat einen anderen Plan. Hier, hinter beige gestrichenen Betonmauern mit wenigen Fenstern verborgen, wird eine Delikatesse hergestellt, eine Delikatesse, die in Italien und Frankreich die Gourmets glücklich macht. Doch Shakaj will seinen Stolz lieber nicht zeigen. Er will weg. „Steigen wir ein, ich möchte Euch wo hinbringen“, sagt er. Man widerspricht ihm nicht, keiner tut das.

Novoselë, Albanien  Juli 2013, Beef

Shakaj setzt den Fuß wieder auf das Trittbrett des Nissans und schwingt seinen kleinen Bauch in die Höhe. Der bullige Kasten soll wohl unterstreichen, wer hier der Chef ist, vielleicht seine sanftmütige Erscheinung übertünchen. Jedenfalls dreht Shakaj den Zündschlüssel im Schloss, der Motor röhrt, irgendetwas quietscht. [Weiterlesen…]

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