Das Thema Organisierte Kriminalität, so ist mein Eindruck, ist in den Medien im Aufwind. Das freut mich, weil es lange genug ein Schattendasein fristete und wir heute die Auswirkungen dessen spüren, zum Beispiel dass Geldwäsche-Aktivitäten im Immobilienbereich die Preise und damit auch die Mieten hochtreiben. Es ist wichtig, dass darüber informiert wird. Besonders freut es mich, dass ich mich heute mit einem Team von Produzenten getroffen habe, die eine Serie zum Thema Organisierte Kriminalität konzipieren. Ich glaube, dass gut gemachte Unterhaltung (wie etwa die ZDF- und Arte-Serie Bad Banks) wichtige Informationen in einer interessanten Verpackung anbieten kann. Wenn ich dazu beitragen kann – wie etwa bei dem von Patrick Brunken geschriebenen Tatort „Kopper“ vom Anfang dieses Jahres – bin ich froh. Schauen wir mal, was aus diesem Treffen wird…
18.6.2018 Vortrag an der Uni Tübingen
Seit ich meinen Hochschulabschluss der Eberhard-Karls-Universität Tübingen in der Tasche habe, bin ich oft in die Stadt zurückgekehrt: vor allem um Freunde zu besuchen, einmal auch um ein Seminar zu halten, für die Talkshow Querfeldein. Am Montag, 18 Juni, bin ich wieder da, dieses Mal – und das ist mir eine besonders große Ehre – für einen Vortrag in der Neuen Aula (um 19 Uhr c.t. im Hörsaal 9). Das Institut für Kriminologie hat mich eingeladen, im Rahmen des kriminologisch-kriminalpolitischen Arbeitskreises über die Mafia in Deutschland zu referieren. Titel des Vortrages ist: Das gute Deutschland und die böse Mafia – ein halbes Jahrhundert friedliches Miteinander? Das mag zunächst irritierend klingen. Dass man das Thema ernsthaft diskutieren kann, wird hoffentlich der Abend zeigen. Ich werde in meinem Vortrag einer Frage nachgehen, die mich seit vielen Jahren beschäftigt, nämlich der, warum Deutschland nicht stärker gegen die Organisierte Kriminalität vorgeht, den Clans das Geld wegnimmt, überhaupt Geldwäsche mehr in den Fokus der Strafverfolgung stellt. Aber keine Sorge, mein Vortrag wird sehr praxisnah ausfallen.
Leipzig, Mafialand Europa
Ausgerechnet in Leipzig? Ausgerechnet in Leipzig! Leipzig ist eine der Städte, die nach dem Fall der Mauer sofort von der italienischen Organisierten Kriminalität für sich entdeckt worden sind. Umso wichtiger ist es, dass es Vereine wie Eine Welt e.V. gibt,, die immer wieder Antimafia-Aktivitäten fördern. Der Verein gehört auch zu den Veranstaltern dieses Infoabends am 1. Juni 2018, an dem auch ich referieren werde. Es geht dabei um Mafia und Antimafia, in meinem Fall berichte ich, was die ’ndrangheta in Deutschland tut. Weitere ReferentInnen: Gabriele Fantoni von Eine Welt e.v., der über die Geschichte der Mafia in Italien berichtet, und Giulia Norberti von meinem Verein mafianeindanke, die eine Studie über Antimafia-Aktivitäten in Deutschland vorstellt. Der Eintritt ist frei, Spenden sind aber erwünscht.
Warum nur all dieses Desinteresse?
Die wunderbare Kollegin Amalia De Simone aus Italien reist für die italienische Zeitung Corriere della Sera durch Europa, immer auf der Spur der italienischen Mafia. Drei Teile widmet ihre Redaktion der ’ndrangheta in Deutschland, immerhin das wichtigste Land für die Verbrecherorganisation. Dafür hat sie auch meine sehr gut informierte Journalisten-Kollegin Margherita Bettoni interviewt, die tolle Giulia Norberti von meinem Verein mafianeindanke, den ehemaligen Leiter der Anti-OK-Abteilung des LKA Berlin, Bernd Finger, und den italienischen Antimafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri, und auch meine Wenigkeit. Alle Interviewpartner mahnen, dass die italienischen Clans in Deutschland ideale Bedingungen finden und eine Gefahr für unser Land sind. Doch wo ist die deutsche Politik, die für Transparenz im Finanzwesen kämpft? Die die Löcher in der Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung schließt? Die sich zum Vorkämpfer gegen Organisierte Kriminalität macht? Die nicht zuschaut, wie tonnenweise Kokain auf den Markt geschwemmt wird, sondern den Dealern die Profite wieder abnimmt? Wo sind die Medien, die das interessiert? Absurderweise wird in Italien mehr über die Mafia in Deutschland berichtet als hierzulande.
Hier die englische Version von Amalia De Simones Feature, Teil 1:
Ohne viel Blut geht es für die Bild nicht
Der Staatsanwalt Giuseppe Lombardo aus Reggio Calabria wird heute auf der Titelseite der Bild gefeiert als „härtester Mafiajäger der Welt“. Ich hatte ihn gemeinsam mit Christian Gramstadt für meine Doku für Arte und die ARD, Die Story, interviewt. Als mein Verein mafianeindanke Lombardo später, im Juli vergangenen Jahres, zu einer Antimafia-Konferenz zu Gast hatte, lernten wir ihn erneut als sehr reflektierten, bestens informierten, ruhigen und intellektuellen, sehr angenehmen Gesprächspartner kennen. Aber klar, das macht sich als Titelzeile nicht so gut. Mich persönlich ärgert es extrem, wenn bei der Beschäftigung mit der Mafia der Aspekt der Bedrohungslage so in den Vordergrund gerückt wird. Einfach weil es nicht der Realität entspricht. Ja, es ist gefährlich, sich mit der Mafia zu beschäftigen. Aber noch gefährlicher ist es, wenn sich niemand mit ihr befasst. Es ist trotzdem gut, dass die Bild sich für das Thema Mafia interessiert, selbst wenn sie den ersten Artikel der Serie mit blutigen Bildern en masse garniert. Und selbst wenn sie das mit blödsinnigen reißerischen Sätzen tut wie: „Die Mafiosi haben nichts übrig für Giuseppe Lombardo. Außer einer Kugel. Oder einer Bombe.“
Ich würde mir wünschen, dass sensationsgeile Medien wie die Bild lieber in den Fokus rücken, was in Deutschland in Bezug auf die Mafia los ist, dass Teile der Gesellschaft und Wirtschaft bereits infiltriert sind, dass auch die Sicherheitskräfte nicht sicher vor Mafiakontakten sind und dass Deutschland Investitionsziel Nr.1 für die ’ndrangheta ist. Das sollte in der Zeitung stehen! Ich erwarte von einem Medium wie der Bild, aber auch den anderen großen Medien, dass sie ihrer Aufgabe nachkommen und hierzu recherchieren. und nicht immer dieses Uuh, die Mafia ist gefährlich für die Leute, die sich mit ihr beschäftigen. Also, Bild: Los geht’s! Immerhin geben sie dem von mir sehr geschätzten Giuseppe Lombardo morgen erneut Raum, um über die Mafia in Deutschland zu sprechen.
Als Hintergrund: Giuseppe Lombardo ist mehrfach wegen seiner exzellenten Arbeit bedroht worden. Allerdings vermeidet die ’ndrangheta inzwischen Morde an bedeutenden Persönlichkeiten im Normalfall, weil es ihre Geschäfte stört. Der letzte Mord an einem Staatsanwalt war der an Antonino Scopelliti im Jahr 1991. Die Tat war wohl gemeinsam von Cosa Nostra und ’ndrangheta organisiert und begangen worden, da Scopelliti mit großem Erfolg gegen hochrangige Mafiosi ermittelt hatte.
Und noch ein Nachtrag: Ein Vorschlag von mir, über die Berichterstattung zur Mafia in Deutschland zu reflektieren, wurde vom Netzwerk Recherche, der Vereinigung investigativer Journalisten in Deutschland, aufgegriffen. Beim Jahrestreffen Ende Juni in Hamburg werden die freie Autorin Margherita Bettoni, Axel Hemmerling oder Ludwig Kendzia vom MDR, Giulio Rubino vom italienischen Projekt Irpi und ich darüber diskutieren.
Wir könnten viel mehr wissen
Ich bin heute von einem Redakteur des SWR für das Radio interviewt worden, begleitend zu einem Fernsehbeitrag heute Abend über den am 8. Januar festgenommenen Mario L. und die Mafia in Baden-Württemberg. In dem Gespräch weise ich auch auf die Staatsanwaltschaft in Stuttgart hin, die regelmäßig italienische Ermittler ausbremst. Es gäbe noch immer sehr viel zu berichten über die Mafia in Baden-Württemberg, mit den Verhaftungen vom 8. Januar wurde nur eine Spitze des Eisbergs öffentlich bekannt. Die Unwissenheit in diesem Kontext ist leider sehr groß. Dabei findet man recht schnell viele Informationen, wenn man sich mit dem Thema beschäftigt. Und er oder sie käme auch nicht auf die Idee, bei Mario L. von einem „Doppelleben“ zu sprechen wie hier in diesem Text. Wer L. kannte, konnte wissen, dass er Mafia-Verbindungen hat. Es ist eben nicht so, dass die Mafia völlig im Verborgenen agiert. Es ist auch nicht so, dass niemand weiß, wer zur Mafia gehört. Es ist eher so, dass es die Leute schlichtweg nicht interessiert, ob ihr ach so netter „Italiener“ Mafioso ist, Hauptsache, das Essen schmeckt.