Dieser Tage kommt ein neues Buch in den Buchhandel, das ich gemeinsam mit Francesco Bianco geschrieben habe, einem Linguisten und Freund von mir. Wir haben dafür 150 Redewendungen gesammelt, die im Italienischen oft benutzt werden, ihre Entstehung beleuchtet und dazu passende Informationen über Italien danebengestellt.
Am Anfang dachte ich, dass die Arbeit an diesem Buch etwas dröge werden könnte. Doch ich war bald vom Gegenteil überzeugt, und wie. Schon bei der Vorbereitung der Auflistung von Redewendungen merkten Francesco und ich, wie viel von einer Kultur und Gesellschaft in der Sprache steckt. Es klingt blöd, aber stellenweise arbeiteten wir uns fast in einen Rausch – und der lag nicht am hervorragenden tschechischen Bier, das wir dazu konsumierten. Sondern daran, dass es richtig Spaß machte, Italien über seine Redewendungen zu beschreiben. Scendere in campo (Die (politische) Bühne betreten) als eine Wendung, die Silvio Berlusconi dem Land vermacht hat; Ogni scarrafone è bello a mamma sua ( Jedem gefällt, was seines ist) – der Titel eines Liedes von Pino Daniele, der zu einem geflügelten Wort geworden ist; Non dire »gatto«, se non ce l’hai nel sacco! (Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben) von Giovanni Trappatoni, einem Fußballtrainer, der nicht nur in Deutschland unvergessliche Ausdrücke geschaffen hat. Wir stießen auf viele Vorzüge Italiens und lasen aus der Sprache auch Nachteile heraus, etwa die geringe Rolle, die Frauen spielen. Selbst eine Fixierung auf Sexuelles wurde deutlich: der Teil mit Redewendungen in diesem Bereich ist einer der größten des Buchs. Wir hoffen, das Lesen macht genauso viel Spaß wie das Schreiben. Und auch, dass manch versteckte humoristische Einlage nicht unbemerkt bleibt…
Liebe deinen Nächsten
In Pozzallo auf Sizilien gehen die Einheimischen zu den Beerdigungen der ertrunkenen Flüchtlinge. Der Bürgermeister gibt sogar sein bestes Leintuch, ein Hochzeitsgeschenk, für die Toten.
Pozzallo, Sizilien, Oktober 2014, Das Magazin
Es sind anstrengende Tage derzeit. Im Rathaus von Pozzallo, einem Städtchen ganz im Süden von Sizilien, stehen die Leute Schlange, denn Luigi Ammatuno, ihr Bürgermeister, wird in der Nacht für zwei Wochen zu den nach New York ausgewanderten Mitbürgern fliegen. Ein Mann lässt im Zorn die Tür knallen; er warte seit drei Stunden, tobt er, seit acht Uhr am Morgen, und noch immer sei er nicht an der Reihe. In der Gemeinde herrscht zudem Streit über den Haushalt, ein dickes Minus steht im Buch. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt sowohl gegen den vorhergehenden Bürgermeister wie auch gegen den aktuellen Chef der Stadtpolizei wegen Untreue, Betrug und anderer Delikte. Doch all das ist es nicht, was Virginia Giugno verfolgt. „Ich bin müde“, sagt sie leise, und stützt ihren Kopf mit beiden Händen auf die Lehne eines Stuhls im Sitzungssaal auf. „Ich halte diese Normalität einfach nicht mehr aus.“ [Weiterlesen…]
Mafioso außer Dienst
Du musst wissen, welcher Knopf der richtige ist. Es ist eine typische italienische Klingelanlage: mattsilberne, runde Knöpfe, auf den Schildern daneben sind Namen eingraviert. «Bonaventura» brauchst du gar nicht erst zu suchen. Doch neben einem Knopf klebt ein handbeschriebener Zettel mit einem anderen Namen, seinem Tarnnamen. Es wirkt, als würde jemand hier nur für ein paar Wochen leben, vorübergehend. Der Zettel hängt jedoch seit Monaten. Diesen Knopf drückst du.
Irgendwo in Süditalien, Juni 2013, Reportagen
Ein Summen, ein kurzes Knattern, die Tür fällt hinter dir krachend ins Schloss, und du bist in einem Hauseingang: auf festem Marmor, die Wände sind ebenfalls marmorgefliest, bis ganz nach oben, die Decke ist freundlich gestrichen. Die Tür zum Aufzug stemmt sich wie jede Aufzugstür zunächst gegen das Aufziehen, dann kommt sie dir mit Schwung entgegen. Du drückst ein weiteres Mal auf einen Knopf, diesmal einen schwarzen, fährst einige Stockwerke nach oben und stehst vor einer Tür, einer normalen italienischen Wohnungstür in einem normalen italienischen Wohnhaus; sie scheint aus Holz zu sein, ist aber aus Metall. Diese hier ist sogar eines jener Modelle, die beim Schließen mehrere Riegel in den massiven Türrahmen treiben, weil in Italien doch so viel gestohlen wird. Vor Schüssen aber schützt sie nicht. [Weiterlesen…]
Es war einmal in Kalabrien
Der staatlichen HSH Nordbank droht der nächste Skandal. Das Institut hat einen Windpark im Süden Italiens finanziert, den die Behörden beschlagnahmt haben. Der Verdacht: ein Geldwäsche-Projekt der Mafia. Es geht um rund 200 Millionen Euro.
Isola di Capo Rizzuto/ Hamburg, Oktober 2012, Stern
Das Verkehrsschild sollte einmal vor kreuzenden Kühen warnen. Inzwischen ist es von Patronenkugeln durchsiebt, und es kündet so von ganz anderen Gefahren: Hier regiert die Gewalt. Es steht an einer löchrigen Straße mitten in Kalabrien. Sie verbindet das Örtchen Isola di Capo Rizzuto mit der Provinzhauptstadt Crotone. Das graue Asphaltband schlängelt sich zwischen 48 Windrädern hindurch. Hier, tief im Süden von Italien, ist in den vergangenen fünf Jahren einer der größten Windparks des Landes entstanden.
Wenn man die 96-Megawatt-Anlage besichtigt oder gar fotografiert, dann kommt ein grauer Volvo-Kombi angefahren. Ein Mann, grauhaarig, das Hemd leger aufgeknöpft, lässt die Scheibe runter, beugt sich herüber. Er wartet darauf, dass man ihn ansieht. „Tun Sie sich nicht weh“, sagt er dann. Es sind fürsorgliche Worte, doch sie klingen wie eine Drohung. Hinsehen ist hier nicht erwünscht. [Weiterlesen…]
Dreckige Geschäfte
In Heilbronn nahm der Absturz des schwerreichen italienischen Vorzeigeunternehmers Giuseppe Grossi seinen Lauf. Der Abfallmagnat erfreute sich bester Kontakte zu Politik und Wirtschaft, jetzt sitzt er als krimineller Steuerhinterzieher in Haft. Hundert Millionen Euro soll er mit der Hilfe von deutschen Unternehmern auf die Seite geschafft haben. Ein winziges, aber wichtiges Detail brachte das Finanzamt Heilbronn auf die Spur dieser Machenschaften.
Heilbronn, September 2011, Kontext:Wochenzeitung
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Ein Leben mit Büchern
Heidelberg, 6.7.2011, Kontext: Wochenzeitung
Die Verlegerin Inge Feltrinelli, geborene Schönthal, hat kürzlich die Ehrendoktorwürde der Universität Heidelberg verliehen bekommen. Sie blickt auf achtzig Jahre eines hochspannenden Lebens zurück: Ihr Vater war Jude, weswegen sie im Nationalsozialismus die Schule verlassen musste. Sie traf als Fotografin Größen wie Ernest Hemingway, heiratete Giangiacomo Feltrinelli, einen italienischen Millionär und Verlagsbesitzer, der als linksradikaler Kämpfer in den Untergrund ging, und übernahm schließlich das Unternehmen, das heute ein Viertel des italienischen Buchmarkts beherrscht. [Weiterlesen…]