SANDRO MATTIOLI

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Tränen und Thriller – die Summer School zum Thema Mafia und Frauen in Mailand vermittelt neues Wissen

20. September 2019 von S M

Es kann passieren, dass du der Schilderung einer Staatsanwältin zuhörst, wie sie versucht, eine Kronzeugin auf dem Weg ins Verderben zu stoppen und das Fahrzeug scheinbar jede Straßenbarriere unbemerkt passiert, und alles, was sie zur Verfügung hatte, war ein GPS-Signal. Kein Autotyp, keine Abhörmaßnahmen, nur ein Punkt auf dem Bildschirm.

Es kann passieren, dass du dich fragst, warum es besser ist, Frauen in Mafia-Clans nicht als Opfer zu sehen, sondern eher Faktoren zu berücksichtigen, die sie besonders vulnerabil machen, denn aus dem Opferstatus erwächst Schwäche, die Verwundbarkeit aber kann eine Ressource sein, die Stärke hervorbringt.

Es kommt ebenso vor, dass dich – und fast alle anderen des Kurses, der Professor und die zwei Professorinnen eingeschlossen – ein Theaterstück zu Tränen rührt und du die Macht der Worte spürst. Und es kann vorkommen, dass dir nach einer Woche und insgesamt 40 Stunden Unterricht der höchste italienische Antimafia-Staatsanwalt höchstpersönlich dein Diplom überreicht. Die Summer School an der Universität Mailand zu wechselnden Themen der Organisierten Kriminalität ist ohne Zweifel etwas Besonderes. An ihr teilzunehmen, wenn man italienisch spricht, ist ein großes Privileg.

Kommt man aber aus Deutschland, lässt sie einen auch etwas traurig zurück. Darüber, dass es eine solche Veranstaltung, die sich gleichermaßen an ein Fach- wie Massenpublikum richtet, in Deutschland nicht gibt. Und natürlich die alte und immer noch dringliche Leier, dass das Thema Organisierte Kriminalität und Mafia in Italien in der Breite eine Beachtung und Unterstützung erfährt, die man in Deutschland vergebens sucht. Zum neunten Mal organisierte die Staatliche Universität in Mailand das Blockseminar. Dieses Jahr war das Thema Mafia und Frauen. Es ist eine Kooperationsveranstaltung mit der italienischen Antimafia-Organisation Libera. Vonseiten der Uni gestaltenten die drei Professor*innen Nando dalla Chiesa, Monica Massari und Imbretta Ingrascí das Programm. Sie alle forschen zu Mafia und Organisierter Kriminalität – was allein schon zeigt, wie weit voraus Italien Deutschland in dieser Hinsicht ist. Eine der Organisatorinnen ist auch Sarah Mazzenzana, eine ehemalige Freiwilligendienstleistende von mafianeindanke. Die in diesem Jahr rund 40 festen Teilnehmer*innen setzen sich aus Polizist*innen, Staatsanwälten, Studierenden, Lehrer*innen, Pensionären und interessierten Bürger*innen zusammen. Die weitestangereiste Teilnehmerin kam eigens aus Washington.  

Es fällt schwer, eine Woche, die so reich an Eindrücken und Einsichten ist, zusammenzufassen. Ein   zulässiger Schluss ist sicher, dass der männliche Blick auf Frauen in Strukturen der Organisierten Kriminalität allzu lange Zeit eine umfassende Sicht des Phänomens quasi unmöglich machte. Auf breiter Ebene herrscht immer noch die medial geschaffene Verblendung von Clans als reiner Männergesellschaften vor. De facto haben Frauen in allen wichtigen Organisationen in Italien (‘ndrangheta, Cosa Nostra, Camorra und die kleineren Gruppen) bedeutende Rollen inne.

Die neapolitanische Camorra, die sich als fortschrittlichste Organisation versteht, kennt weibliche Bosse. Sogar das Beispiel einer Transfrau, die eine Gruppe führte, ist belegt. Auch verschiedene Vernehmungen mit weiblichen (Kron-)Zeugen zeigten, dass die Bedeutung von Frauen weit größer ist als nur Kinder zu erziehen und die (Un)werte der Mafia weiterzugeben. Richtig ist aber auch, dass es innerhalb der kalabrischen ’ndrangheta den Clans wichtig ist, Frauen möglichst stark unter Kontrolle zu halten, gerade weil ihre Funktion für die Clans so wichtig ist – selbst wenn sie formal nicht Mitglied werden dürfen und damit keine offizielle Funktion einnehmen. Als etwa bekannt geworden war, dass Giusy Pesce zur Kronzeugin wurde und die Seiten wechselte, feierte der gegnerische Clan Bellocco ein fest und spottete darüber, dass die Pesce ihre Frauen offensichtlich nicht unter Kontrolle halten können.

Häufig übernehmen Clanfrauen auch Dienstleistungsfunktionen als Rechtsanwältinnen oder Finanzverwalterinnen und Buchführerinnen. Es hilft, die ’ndrangheta nicht als einen monolithischen Block zu verstehen, sondern als Netzwerk verschiedener Clans, die keineswegs alle die gleichen Regeln und Verfahrensmuster pflegen.

In der Summer School kam aber nicht nur den Frauen in der Mafia große Bedeutung zu, sondern auch denen, die sie bekämpfen. Einige waren persönlich anwesend, etwa die Staatsanwältinnen Alessandra Cerreti und Alessandra Dolce. Zu hören, wie sie mit wichtigen Kronzeuginnen arbeiten, war spannend, erschütternd, aufschlussreich. Ihre Erzählungen glichen einem Thriller – nur mit allein weiblichen Hauptrollen. Auch Aussteigerinnen kamen zu Wort. Beispielsweise berichtete der Theaterregisseur Mimmo Sorrentino davon, wie seine Stücke entstehen. Er arbeitet in Hochsicherheitsgefängnissen mit inhaftierten Mafiafrauen. Er öffnet sie für ihre eigene Geschichte, indem er sie bittet, die Geschichte von Mithäftlingen wiederzugeben. Erst dieser Trick ermöglicht die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben. Wie beeindruckend das geht, berichteten zwei Frauen, die in seinen Stücken mitgespielt haben. Eine der Schauspielerinnen erzählte, wie sie sich in einen jungen Mann verliebte, einen hochrangigen Mafioso aus einer bekannten Familie. Es sind auch Zeugnisse wie diese, die das Wissen über Organisierte Kriminalität nicht nur vertiefen, sondern auch anschaulich werden lassen.

Überraschend war die Unterstützung der Summer School durch höchste Autoritäten. Giuseppe Sala, der Bürgermeister von Mailand kam zur Eröffnung und kündigte an, dass die Kommune die zehnte Ausgabe der Summer School im kommenden Jahr unterstützen werde. Italiens höchster Antimafia-Staatsanwalt Federico Cafiero de Raho persönlich übergab neben vielen anderen bedeutenden Personen am Ende Zeugnisse.

Kategorie: Blog, Italien, Mafia

Vom furchtlosen Mafioso zum furchtlosen Antimafioso

5. September 2019 von S M

Luigi Bonaventura war Boss des mächtigsten Clans in Crotone, er beging fünf Morde, seien Männer handelten mit Drogen, erpressten Schutzgeld, das volle Programm. Dann wechselte er die Seiten. Das war 2007. Er berichtete der Antimafia-Staatsanwaltschaft alles, was er wusste, und belastete unzählige frühere Mitstreiter. Das alles aus freien Stücken. Viele Mafiosi werden zu Kronzeugen, weil sie merken, dass ihre Autorität zunehmend in Frage gestellt wird. Bei Luigi Bonaventura war das anders, er wollte seinen Kindern eine freie Zukunft ermöglichen und sie nicht in die Mafia zwingen.

Ich habe 2012 sehr viel Zeit mit ihm verbracht und seine Geschichte aufgeschrieben. Nach unseren Treffen saß er seine Strafe im Gefängnis ab, kam frei und lebt jetzt an einem geheimen Ort. Noch immer arbeitet er mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen. Inzwischen ist Bonaventura Teil einer Gruppe, die sich für einen besseren Schutz von Kronzeugen und deren Familien einsetzt. Denn in Italien weist das staatliche Programm leider sehr viele Mängel auf und muss dringend verbessert werden. Bonaventura ist vom Mafioso zum Antimafioso geworden. Nun hat er einen Brief an die ’ndrangheta geschrieben, um andere vons einem Weg, dem Ausstieg aus der Mafia, zu überzeugen. Hoffentlich fällt sein Vorhaben auf fruchtbaren Boden.

„Meine lieben Ex-Kumpane,

ihr müsst die Kinder zur Schule schicken, ihnen eine andere Zukunft zeigen, wir befinden uns im Jahr 2019, aber was zum Teufel macht ihr? In Rosarno war ich zu Hause und so ihr in Crotone (und auch an anderen Orten), also lasst uns uns nicht mit Gerede aufhalten, ihr wisst, wer ich bin. Rocco, Salvatore, Ciccio (die ihr nicht Teil dieser Verhaftungen seid), diese Sache und anderes hat mich stark berührt und ich habe eine Entscheidung getroffen. Bald werde ich einen Blog (oder etwas ähnliches) beginnen, wo ich Euch sagen möchte, wie es läuft. Ich werde Euch mit Verständnis, Empathie und Ehrlichkeit begegnen, ich werde mit offenen Herzen mit Euch sprechen, um Euch zu sagen, dass bestimmte Dinge nicht mehr in diese Zeit gehören.

Wir alle sind Kinder der mamma ’ndrangheta, Brüder des Unheils wie auch dieses Kind, das für mich wie ein kleiner Bruder ist. Und für ihn und andere werden wir mit dem Komitee zur Unterstützung von Justiz-Kollaborateuren alles im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten tun, um sie zu schützen und ihnen zu helfen. Wir werden darauf achten, dass sie nicht für die Spekulation benutzt oder instrumentalisiert werden, und wenn je, dann gewiss von der anderen Seite. In diesem Blog werde ich zu meinen früheren Kumpanen aus Reggio Calabria, Crotone, Sinopoli, Santa Eufemia Aspromonte, Gioiosa Jonica usw. [Orte mit starken Mafia-Präsenzen] sprechen. Ich werde zu den Grande Aracri, den De Stefano, den Arena, den Nicoscia, den Piromalli, den Bellocco, den Pesce, den Alvaro, den Pelle, den Mammoliti, den Megna, zu meinen ehemaligen Männern, meiner Familie usw. sprechen. Ihr kennt mich alle, und wenn einige von euch mir auch noch nicht persönlich begegnet sind, wisst ihr doch, wer ich bin und wer mein Großvater war, wer mein Onkel Gianni war, wer meine Familie war.

Ich will Euch fragen, ist das ein Leben? Ist es wirklich das, was Ihr für Eure Kinder und die neuen Generationen wollt? Ist es nicht genug, wie wir leben? Ich weiß, dass der Staat, die Anti-Mafia-Vereine und andere mehr tun können und müssen, aber auch Ihr müsst die Bedingungen schaffen. Ihr könnt kooperieren und ich verstehe, dass es für Euch äußerst schwierig ist. Oder behaltet das Geld, das ihr gemacht habt, und sagt Euch los, haltet ein, und wenn es nötig ist, geht weg. Seht Ihr denn nicht, dass sie jetzt auch versuchen, Euch die Kinder zu nehmen? Zu Recht, wie man Euch die Schuld geben kann, sie im Sinne der ’ndrangheta zu erziehen. Wie viele von Euch sitzen als Mafiosi nach dem Paragraphen 41bis in verschäfter Haft? Ist dies denn ein Leben, für Euch und besonders für Eure Familien? Wie viele liebe Freunde oder getötete Verwandte hat jeder einzelne von Euch?

Kritisiert mich nicht voreilig, ich kenne die mamma ’ndrangheta gut, Ihr werdet sehen, dass ich mit dem Herzen auf der Zunge sprechen werde und viele, viele Schwierigkeiten verstehe, die es gibt. Ich werde Euch sagen, was gut oder auch was schlecht ist auf dieser Seite und warum es richtig ist, auf dieser Seite zu sein, Ich, der ich nicht besser bin als jeder andere und mit so vielen Sünden auf meinen Schultern.

Grüße an alle.

Luigi Bonaventura

Kategorie: Blog, Mafia

Opferschutz? Täterschutz?

29. November 2018 von S M

Gestern berichtete das Medienmagazin Zapp über die Recherche der Kollegen vom MDR, Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia. Sie haben gemeinsam mit Kollegen vom Spiegel zur armenischen Mafia in Deutschland recherchiert, mit spannenden Ergebnissen. Die Kollegen fanden heraus, dass die armenische Mafia mit italienischen Clans kooperiert und dass sie Kontakte bis hin zum armenischen Botschafter  in Deutschland hat. Ein Teil ihrer Recherchen ist im Spiegel veröffentlicht worden, ein weiterer Teil sollte in einem Fernsehfilm ausgestrahlt werden. Doch der Botschafter legte eine einstweilige Verfügung ein, die nun in ein Gerichtsverfahren mündet. Ich drücke den werten Kollegen die Daumen!

Was die Medienanwältin Dorothee Bölke in dem Zapp-Beitrag sagt, ist übrigens verständlich, geht aber an der Realität vorbei. Denn nicht jede investigative Recherche erfolgt vor dem Hintergrund eines Gerichtsprozesses und es ist gerade das Problem, dass die Verdachtsberichterstattung mehr und mehr von juristischer Logik bestimmt wird. Dies hat zur Folge, dass sie zunehmend auf dem Vorliegen von Akten und Dokumenten gründet und mündliche Quellen an Wert verlieren. Dies ist aber in einem Feld wie der Berichterstattung über Organisierte Kriminalität ein großes Problem, denn oft handelt es sich um Sachverhalte, über die keine Dokumente existieren oder nicht zugänglich sind oder Quellen nicht vor Gesetz aussagen können, ohne Nachteile bis hin zum Tod befürchten zu müssen. Ich wünschte mir, dass sich in Gerichten mehr mit diesem Aspekt auseinandergesetzt würde, schließlich können die Medien in diesem Bereich ihren für den Schutz von Demokratie und fairem Wirtschaften essenzielle Funktion nur wahrnehmen, wenn Gerichte hier ein gewisses aus diesem Umstand gespeistes Wohlwollen an den Tag legen. Wenn Journalisten auf mafiöse Kontakte eines Botschafters hinweisen, dann tun sie das nicht aus Böswilligkeit, sondern weil sie in genau diesen Kontakten eine Gefahr fürs Gemeinwesen sehen. Beim bloßen Blick auf Paragraphen mag diese Perspektive schnell verloren gehen. Im Übrigen bezahlt den freien Journalisten, die zu diesem Thema arbeiten, niemand die Zeit, die für rechtliche Auseinandersetzungen draufgeht. Was es nochmal weniger lukrativ macht, im Mafiabereich Recherchen zu machen. Das aber hilft niemandem – außer den Kriminellen.

Kategorie: Blog, Mafia Stichworte: Berichterstattung, Deutschland, Mafia, Prozess, rechtliche Probleme, Zapp

Neuartige Mafia-Ermittlungen bieten immer auch neue Ansätze für die Verteidigung

15. November 2018 von S M

Es ist schon ein paar Tage her, dass ich in Konstanz war und über das dort laufende Gerichtsverfahren gegen neun Mitglieder einer Drogenhändlerbande berichtet habe. Wer den Text nachlesen mag, findet ihn hier verlinkt. Der Besuch war hochinteressant: Nicht nur berichtete der Ermittlungsführer über die Arbeit, die ihm 1500 Überstunden eingebrockt hat. Nein, man konnte auch beobachten, wie die Anwälte der Hauptangeklagten nach Einhakpunkten suchen für mögliche Berufungsverfahren.

Wer wann wo in Italien auf Dienstreise war, wollten sie recht detailliert wissen. In dem Ermittlungsverfahren hatten die beiden Staatsanwälte den direkten Austausch unter den Polizistinnen und Polizisten  erlaubt. Die Rechtsanwälte suchen daher nun nach formalen Fehlern, die das Verfahren sprengen könnten. Bisher sind es allerdings nur die vielen Anträge seitens der Verteidiger, die das Verfahren sprengen, zumindest den Zeitplan. Das ist natürlich das gute Recht der Verteidiger, die ja für ihre Mandanten das optimal Ergebnis herausholen sollen. Trotzdem würde ich als Journalist mir natürlich wünschen, dass mehr zur Sache zur Erwähnung kommt im Gerichtsverfahren. Etwa die Frage, was das alles mit Mafia zu tun hat.

Diese Frage schwebt beständig über dem Verfahren. Ich persönlich habe den Eindruck, dass man es bei einem Teil der Angeklagten tatsächlich mit Mafiosi zu tun hat; die italienischen Kontakte sprechen dafür und auch, dass auch unter den Zuschauern schon eindeutige Mafiamitglieder gesichtet worden sind. Andere Angeklagte scheinen mir trotz recht „prominenter“ Nachnamen eher so reingerutscht. Ich jedenfalls bin gespannt, ob diese Frage noch vertieft wird. Bisher hat sie der  Vorsitzende Richter jedenfalls nicht behandeln wollen.

Kategorie: Blog, Italien, Mafia Stichworte: 'ndrangheta, Bande, Drogen, Gastwirt, Kilo, Konstanz, Mafia, Marihuana, Prozess, Schwarzwald, Schwenningen, Tuningen, Villingen

Der Prozessbeginn und wie eine Drohung im Mafia-Stil unerkannt blieb

22. September 2018 von S M

In Karlsruhe wurde gestern das Hauptverfahren eines Prozesses eröffnet, das für mich persönlich eine Zäsur im deutschen Rechtswesen darstellt. Denn es ist wohl noch nie zuvor hier passiert, dass (mutmaßliche) Mafiosi im Gerichtssaal Drohungen äußern, und das auch noch in Form eines Statements ihres deutschen Anwalts. Und vor allem: Niemandem ist das auch nur aufgefallen. Was ist passiert?

Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Konstanz richtete sich gegen einen deutsch-italienischen Drogenhändlerring. Sowohl in Sizilien wie auch in Süddeutschland liefen Ermittlungen, die in Deutschland zu Anklagen gegen elf Personen führten. Vier Haupttäter müssen sich vor dem Gericht verantworten (das aus Platzgründen die ersten zwei Prozesstage in den Schwurgerichtssaal des Karlsruher Landgerichts verlegte, bis ein eigens umgebauter Firmenraum in Konstanz genutzt werden kann). Die vier Haupttäter sind ein in Italien lebender Italiener und drei Männer, die im Raum Süddeutschland zuhause sind. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, viele Dutzend Kilo Marihuana und auch Kokain nach Deutschland importiert und damit gehandelt zu haben. Einer der Männer hat den Ermittlungen zufolge zudem auf den hell erleuchteten Gastraum eines Kontrahenten geschossen, während dieser Kontrahent sich dort mit unbeteiligten Gästen aufhielt, welche die Kugeln nur knapp verfehlten. Auch Waffenschmuggel und -handel findet sich unter der Liste der Anklagepunkte.

Im Vorfeld dieser Eröffnung des Hauptverfahrens gab es verschiedene Berichte in Zeitungen, in denen von mutmaßlichen Mafiosi die Rede war. In einer Pressemitteilung war zuvor berichtet worden, dass es Verbindungen von den Angeklagten zur sizilianischen Cosa Nostra und zur kalabrischen ’ndrangheta gebe. Ich persönlich vermute, dass nicht alle Angeklagten der Mafia zugehörig sind, schließe es aber auch nicht aus. Und mehrere Journalisten, darunter auch ich, sprachen von einem Mafia-Prozess.

Nachdem der Staatsanwalt die Anklageschrift verlesen hatte, gab der Richter den Rechtsanwälten Gelegenheit, sich zu äußern. Der Anwalt eines Angeklagten, der als Kopf der Drogenbande gilt, setzte zu seinem Vortrag an. In Sizilien gebe es ein altes Sprichwort, sagte der Mann, es besage, dass wer nichts sehe, nichts höre und nichts sage, hundert Jahre alt werde. Der Richter rief zur Pause, ohne dass vonseiten des Anwalts weitere Ausfertigungen kamen, diese sollten erst nach der Pause ergehen. Offensichtlich war kaum jemandem bewusst geworden, was in diesem Moment geschehen war. Denn auch als der Anwalt nach der Pause sein Statement fortführte, gab es zu diesem Satz keine Fragen.

Im weiteren Verlauf kritisierte der Rechtsanwalt das Verfahren als aufgeblasen und wies weit von sich, dass die Angeklagten etwas mit der Mafia zu tun hätten. Der Mafia-Vorwurf käme einer Vorverurteilung gleich.

Sein Vorgehen ist in mehrerlei Hinsicht beachtlich: Zum einen spielt die Mafia-Zugehörigkeit im deutschen Strafrecht keine Rolle und damit auch nicht in dieser Hauptverhandlung. Es gibt im deutschen Strafrecht die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation. Diese war zum Beginn der Ermittlungen zu dem Drogenhandelsring quasi unmöglich nachzuweisen (wie die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage der Grünen-Abgeordneten Irene Mihalic nach vielen Jahren im August dieses Jahres allgemein auch eingestehen musste). Es gab im Vortrag des Staatsanwalts weder einen Verweis auf eine Mafia-Zugehörigkeit irgendeines Angeklagten noch auf die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Es ging um bandenmäßigen Rauschgifthandel, was ein wesentlicher Unterschied in der Anklage ist. Der erste, der in diesem Hauptverfahren das Wort Mafia in den Mund genommen hatte, war dieser Anwalt.

Zum anderen zeugt es von gewaltiger Chuzpe, den (nicht erhobenen!) Vorwurf der Mafia-Mitgliedschaft abzustreiten und dabei auf Mafia-Methoden zu rekurrieren. Denn was anders ist dieser Satz wenn nicht ein Verweis auf die Omertà, das Schweigegelübde der Mafia? Es ist eine typische Verklausulierung, wie sie Mafiosi gerne einsetzen. Heißt der Satz doch: Wer sieht, hört und darüber redet, wird keine hundert Jahre alt, sprich, er oder sie lebt gefährlich.

Man sah es an den Reaktionen, dieser Satz wurde als Folklore gesehen, als halbwegs amüsanter Rekurs auf Mafia-Klischees. Doch dem ist mitnichten so. In einem Gerichtsverfahren, dessen Ausgang wesentlich davon abhängt, dass Zeugen belastende Aussagen tätigen, muss man von den Prozessbeteiligten die Sensibilität erwarten können, Einschüchterungsversuche schon im Ansatz zu unterbinden. Dies auch allein schon im Interesse der anwesenden Medienvertreter, denen diese Aussage genauso gelten kann: Schreibt nicht über die Mafia, und ihr werden hundert Jahre alt.

Dass dies keine Fantastereien sind, zeigen nicht nur die Todesdrohungen gegen Roberto Saviano und viele andere Journalisten, die die Untaten der Clans aufdeckten und nun von der Polizei geschützt werden müssen. Sondern das zeigen auch die folgenden Personen: Beppe Alfano, Carlo Casalegno, Mauro de Mauro, Cosimo Cristina, Giuseppe Fava, Mario Francese, Peppino Impastato, Mauro Rostagno, Giancarlo Siani, Giovanni Spampinato und Walter Tobagi. Sie alle wurden wegen ihrer Arbeit ermordet. Von Mafiosi. Die zahl der getöteten Belastungszeugen ist noch viel größer. Dass ein Rechtsanwalt mit einem solchen Statement einen Mafia-Kontext andeutet und sich zum Büttel von Kriminellen macht, dass ein Rechtsanwalt in einem Statement den Journalisten droht, ja nicht die Angeklagten als Mafia-Verdächtige zu bezeichnen und zugleich sagt, er schätze die Arbeit der Presse, das überfordert mein Verständnis dessen, was in einem deutschen Gerichtssaal möglich sein sollte.

Dieser Satz ist auch ein weiterer Versuch, es noch schwerer zu machen, über das Thema Mafia öffentlich zu sprechen. Das Dilemma ist einfach: Es gibt in Deutschland keinen Straftatbestand der Mafia-Zugehörigkeit. Wohl aber kann man jemanden wegen Diffamierung verklagen, der einen als Mafioso bezeichnet.

Es spielt in diesem deutschen Strafverfahren dummerweise keine Rolle, dass italienische Ermittlungen ergeben haben, dass das nach Deutschland importierte Marihuana auf Sizilien von einem Clan der Cosa Nostra produziert worden ist. Es spielt in diesem deutschen Verfahren auch keine Rolle, dass man mit Kokain im Kilogrammbereich aus Kalabrien nur handeln kann, wenn man Kontakte zur ’ndrangheta hat. Es spielt im deutschen Gerichtsverfahren wahrscheinlich auch keine Rolle, dass die Haupttäter Drogenlieferungen nach Deutschland in Sizilien und Kalabrien abstimmten und nicht, sagen wir, in Toulouse und Kopenhagen. Es spielt sicher auch keine Rolle, dass die Verwandten mancher Angeklagten als Mafiaangehörige bekannt sind. Das kann man finden wie man mag.

Dass man aber über das Thema Mafia nur noch abstrakt sprechen kann, das ist brandgefährlich. Dass platte Einschüchterungen im Mafia-Stil quasi von der Kanzel weg geäußert werden, das ist ein lautes Alarmsignal, das sollte eine Rolle spielen. Dass hier demokratische Grundwerte aufs Tiefste missachtet werden, das sollte eine Rolle spielen. Denn es geht hier doch um Werte, die wir gerade gegen Kriminelle verteidigen müssen: eine freie Presse etwa und dass ein fairer Prozess in diesem Land gewährleistet ist.

Wenn wir aber im Gerichtssaal nicht in der Lage sind, mafiöse Zeichen zu erkennen, wie soll es dann erst „draußen“ klappen.

PS: Wie wäre es denn, wenn die Angeklagten im Prozess öffentlich erklären würden, dass sie mit der Mafia nicht nur nichts zu tun haben, sondern diese Organisationen ablehnen? Oder wenn sie in ihren Restaurants mafiafreie Produkte, etwa von Libera oder der Cooperativa Goel, verkaufen würden? Oder in der Öffentlichkeit sagen, dass sie Antimafia-Organisationen wie Libera terra, Addio Pizzo und viele andere in Italien und mafianeindanke in Deutschland unterstützen? Dann wäre doch viel glaubwürdiger, dass die Angeklagten keine Mafiosi sind…

Anmerkung:
Meine geschätzte Kollegin Margherita Bettoni und ich werden diesen Mafiaverdächtigen-Prozess intensiv begleiten. Der erste Tag hat uns verdeutlicht, dass eine genaue beobachtung dieses Verfahrens dringend geboten ist. Wenn Sie uns dabei finanziell unterstützen möchten, sind wir ihnen sehr dankbar. Die Reise- und Unterkunftskosten sind beträchtlich. Wir werden in Kürze eine Finanzierungsmögichkeit bereitstellen.

Kategorie: Blog, Mafia Stichworte: Drogen, Einschüchterung, Konstanz, Mafia, Omerta, Prozess, Schweigegelübde, verfahren

Wollte die Mafia ddp kaufen?

1. August 2018 von S M

Eine Bemerkung vorweg: Die Schriftstellerin Isabelle Lehn hat diese Geschichte über Martina N. und die Deutsche Bank als Vorlage für ihren tollen Roman „Die Spielerin“ genutzt. Wer noch mehr zu Mafia-Aktivitäten und dem Finanzwesen in Deutschland erfahren mag, sei auch auf mein Buch „Germafia“ verwiesen. Auch dort geht es um die Deutsche Bank, und wieder klingt der Stoff wie aus einem Roman… 

Im Jahre 2004 musste die Nachrichtenagentur ddp Insolvenz anmelden, weil sie auf einen Hochstapler hereingefallen war. Ein geheimer Bericht des Bundeskriminalamts BKA legt nahe: Hinter dem vermeintlichen Investor stand die kalabrische Mafia. Den Kontakt stellte eine ddp-Mitarbeiterin her, die ein Doppelleben führte.

Die Kollegen des deutschen Medienunternehmens, bei dem Martina N. arbeitete, hätten kaum vermutet, dass die Frau aus dem Vertrieb einmal als Gangsterin in einem derart teuren Hotel in der Toskana absteigen würde, mit klassisch gehaltenen Suiten mit schweren Kassettendecken und barocken Gemälden an der Wand. N. eine zierliche, im niedersächsischen Einbeck geborene Frau, lebte eigentlich in relativ bescheidenen Verhältnissen – sie betrieb Telefonakquise und arbeitete noch nicht einmal Vollzeit. Auch die Mitarbeiter des feinen Hotels Baglioni in Florenz, von dessen elegantem Dachgarten man direkt auf die Kuppel des Florentiner Doms blickt, ahnten nicht, welchen Gast sie da im Jahr 2009 gerade eincheckten. Nur das elektronische System, das automatisch die Namen der Gäste mit der Kartei polizeilich gesuchter Straftäter abgleicht, wusste sofort Bescheid. Und so standen kurz, nachdem Martina N. eingecheckt hatte, Beamte in der Lobby und nahmen die Deutsche mit – ins Gefängnis. Weil die unscheinbare Frau N. nämlich in Wirklichkeit eng mit einem Mafiaclan zusammenarbeitete und seit Jahren flüchtig war.

Hätte man das Doppeleben der Martina N. in Deutschland gekannt, der Nachrichtenagentur Deutscher Depeschen-Dienst wäre viel erspart geblieben, vor allem die Insolvenz im Jahr 2004 und dass die rund 200 Mitarbeiter monatelang um ihren Arbeitsplatz zittern mussten. Nach heutigem Stand sieht es ganz so aus, als habe die Geschäftsführung damals sich mit der kalabrischen Mafia, der ’ndrangheta, eingelassen – wohl ohne es zu wissen.

Wir erinnern uns: Die in Finanznot geratene ddp war im Jahr 2003 von der Pro 7-Gruppe von Leo Kirch an eine Beteiligungsgesellschaft weiterverkauft worden, die mehrheitlich den beiden ddp-Geschäftsführern Lutz Schumacher und Wilfried Hub gehörte. Die ddp-Manager wollten ihr Unternehmen retten, indem sie neue Geldgeber anwarben. Anfang 2004 scheiterte die Zusammenarbeit mit einem ersten Investor. Der Mann war für nicht seriös gehalten worden; der Verdacht der Geldwäsche stand im Raum.

In der Folge, wenige Monate später, bot ein weiterer Investor, ein deutscher Privatmann an, drei Millionen Euro zu bezahlen. Ein Göttinger Rechtsanwalt sollte das Geschäft über die Bühne bringen. Das Angebot wirkte seriös, notariell beglaubigte Papiere belegten die Finanzkraft des Mannes, Franz T.. Dieser war allerdings als Finanzinvestor ein unbeschriebenes Blatt und in der Medienbranche unbekannt.

Das Magazin Focus hatte damals rekonstruiert, wie der Kontakt zu dem Investoren T. zustande kam. Die Telefonistin N. bekam den Investor T. den Angaben zufolge von einem ehemaligen schweizerischen Banker empfohlen. Über ihren Chef kam der potenzielle Investor T. mit den Geschäftsführern der ddp in Kontakt, Lutz Schumacher und Wilfried Hub.

In den Focus-Texten erscheint Martina N. als eine Nebenfigur. Doch diese Darstellung ist nun anzuzweifeln. Denn bis heute war unbekannt, dass von N. Verbindungen direkt zur kalabrischen Mafia ’ndrangheta führen. Martina N. hatte zuvor nämlich ebenfalls in der Schweiz für eine Bank gearbeitet, für eine Filiale der Deutschen Bank. In ihrer dortigen Funktion hatte sie mit dem mächtigen Morabito-Clan aus Africo kooperiert, einem Ort, der fast an der Spitze des italienischen Stiefels liegt. Im Jahr 2000 war Martina N. von dem Antimafia-Staatsanwalt Nicola Gratteri in Reggio Calabria angeklagt worden. Sie soll den Mafiosi in Kalabrien in Echtzeit Identifikationsnummern gerade ausgegebener Kredittitel gemeldet haben, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Deutsche Bank in Erfahrung bringen konnte.

Die Gangster nutzten diese Informationen, um die entsprechenden Titel zu klonen, ergo zu fälschen. Fünf Jahre später, im Jahr 2005, wurde N. dafür rechtskräftig zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie war zu diesem Zeitpunkt allerdings flüchtig. Erst im Jahr 2009 erfuhr sie ihre Strafe, nach dem Check-In im Hotel in Florenz.

Klar ist damit auch: Während in Kalabrien ein Prozess gegen die reiche Gangsterin lief, arbeitete sie für eine Tochterfirma der ddp und betrieb Telefonakquise.

Auch im Fall der ddp spielten gefälschte Papiere eine gewichtige Rolle. Denn die Papiere, die T.s Reichtum belegen sollten, waren nicht echt, T. tatsächlich ohne Vermögen. Und auch dass er Teilhaber der Bitburger Brauerei sei, erwies sich als falsche Information.

Es tut sich nun ein ganz neues Szenario auf. Ein geheimer Bericht des BKA, der Kress Pro vorliegt, beschreibt das Wirken der Gruppe um Martina N. genauer. Die gesamte Gruppe – einschließlich N. – bestünde aus Mitgliedern des Morabito-Clans, heißt es in dem Dossier. Der Clan unterhält seit vielen Jahrzehnten Kontakte nach Deutschland und hat dort auch Stützpunkte. Unter anderem wurde in einem Fluss in Kalabrien bereits Ende der Achtziger Jahre Giftmüll aus der Bundesrepublik entsorgt.

Die angebliche einfache Telefonistin N. erscheint in diesem Bericht wie auch in italienischen Unterlagen in einem ganz anderen Licht: Jahrelang habe N. mit zwei weiteren Mitgliedern der Bande in Hotels gelebt. Sie war offenbar nicht für einfache kriminelle Delikte zuständig, sondern für komplexe und kompliziertere Gaunereien: Das BKA bezeichnet sie als „Organisatorin für das Abfließen von investierten Geldern aus Weltbankprogrammen, z.B. das Errichten von Blutbanken in der ehem. Sowjetunion oder von Rehakliniken in Hongkong“. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Mafiaclans nur Schutzgelderpressung und Drogenhandel für sich betreiben. Schon jeher betätigen sie sich auch in Bereichen, um ihren Reichtum zu mehren, in denen man als unbedarfter Bürger die Mafia nicht vermuten würde.

So kennen sich die Clans auch mit komplizierten Finanzoperationen aus. Vor allem Anfang der Neunziger Jahre war der Handel mit gefälschten Wertpapieren sehr lukrativ. Zum Teil dienten dann echte Papiere auch als Währung und Sicherheiten für kriminelle Geschäfte mit anderen Organisationen. Die gefälschten Titel wurden immer wieder bei Geldinstituten, die die Fälschungen nicht durchschauten, beliehen – zum Schaden der Banken.

Weiterhin sei damals bekannt geworden, heißt es in dem BKA-Bericht, dass deutsche Rechtsanwälte sich an den Betrügereien beteiligt haben sollen. Über den Verfahrensausgang hierzu war dem BKA damals aber nichts bekannt, ebenso wie der aktuelle Aufenthaltsort der Martina N. Auch die Polizei in Amsterdam ermittele gegen die Gruppe wegen des Scheckbetrugs in Millionenhöhe.

Martina N. ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Aus dem Umfeld ihrer Familie heißt es, die Mutter habe keinen Kontakt mehr zu ihr. Das BKA gibt zu personenbezogenen Anfragen grundsätzlich keine Auskunft. Auch interne Dokumente wie den als geheim eingestuften Bericht kommentiert die Behörde nicht.

Einer der damaligen Geschäftsführer der ddp, Wilfried Hub, erinnert sich nicht sofort an Martina N., als wir ihn in einem Telefonat auf die Geschichte ansprechen. Hub, heute Herausgeber des Vogtland-Anzeigers, sagt, eine wichtige Person sei damals ein Rechtsanwalt in Göttingen gewesen. Dieser habe mit den ddp-Geschäftsführern Kontakt gehalten und sei zugleich das Bindeglied zu Franz T. gewesen. Der Rechtsanwalt habe ihn und seinen Kollegen Schumacher immer wieder vertröstet, als die Zahlung ausblieb.

Hub meint, vielleicht hätte ihnen damals früher auffallen müssen, dass T. nicht seriös sei, zumal dessen Rechtsanwalt ihnen Dinge erzählte, die man eigentlich nicht weitersage. Ob der Göttinger Anwalt zu den im BKA-Bericht erwähnten Rechtsanwälten gehört, mit denen die Bande kooperierte, lässt sich heute nicht mehr klären.

Als der Anwalt schließlich anbot, die Drei-Millionen-Investition in Form von Gold-Barren vorbeizubringen, dämmerte es den beiden ddp-Geschäftsführern. Sie schickten einen Kollegen aus der Region am Wohnsitz des mutmaßlichen Investoren T. vorbei. Der Mann, der behauptete, Miteigentümer der Bitburger Brauerei zu sein, lebte in Wahrheit in ärmlichen Verhältnissen mit seiner Mutter auf einem Bauernhof. Als erstunken und erlogen erwies sich auch sein Reichtum: Einem Notar wurde das Dokument vorgelegt, das er angeblich für T. beglaubigt haben sollte und das dessen Vermögen belegt. Es stellte sich heraus: es war gefälscht. Ein Bankdokument einer Luxemburger Bank: ebenso gefälscht.

Martina N. habe zu dem Investor T. damals engen Kontakt gehabt, sagt Winfried Hub heute. Dass die Mafia involviert gewesen sein soll, darauf habe es überhaupt keine Hinweise gegeben, erklärt er. Auch was deren Interesse gewesen sein soll, wo doch nie Geld geflossen ist, ist ihm unklar. Aus diesem Grund war bis zum Auftauchen der BKA-Akten die Erklärung, die Hub damals gefunden hatte, viel einleuchtender: nämlich dass sie und sein ddp-Geschäftspartner Schumacher auf einen „Spinner reingefallen waren“.

Inzwischen sieht es so aus, als sei dieser „Spinner“ von der deutsch-italienischen Gangsterbande für ihre Zwecke eingespannt worden. Angesichts der Fahndungsakte von Martina N. liegt diese Sicht jedenfalls nahe. Nur was das Ganze bezwecken sollte, das ist auch heute noch fraglich. Zwar gibt es Beispiele dafür, dass Gruppen der Organisierten Kriminalität damals in Medienunternehmen investierten. Nur flossen in diesen Fällen tatsächlich erhebliche Geldmengen. Im Fall der ddp blieb es jedoch bei leeren Worten – sehr zum Nachteil der Mitarbeiter, die wie ihre Chefs Hub und Schumacher zuschauen mussten, wie ihre Agentur in die Insolvenz rutschte.

Kategorie: Mafia Stichworte: 'ndrangheta, ddp, Deutsche Bank, deutsche Mafia, festnahme, Insolvenz, Investor, Medien, Medienhaus, Nachrichtenagentur, Reggio Calabria

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