In Pozzallo auf Sizilien gehen die Einheimischen zu den Beerdigungen der ertrunkenen Flüchtlinge. Der Bürgermeister gibt sogar sein bestes Leintuch, ein Hochzeitsgeschenk, für die Toten.
Pozzallo, Sizilien, Oktober 2014, Das Magazin
Es sind anstrengende Tage derzeit. Im Rathaus von Pozzallo, einem Städtchen ganz im Süden von Sizilien, stehen die Leute Schlange, denn Luigi Ammatuno, ihr Bürgermeister, wird in der Nacht für zwei Wochen zu den nach New York ausgewanderten Mitbürgern fliegen. Ein Mann lässt im Zorn die Tür knallen; er warte seit drei Stunden, tobt er, seit acht Uhr am Morgen, und noch immer sei er nicht an der Reihe. In der Gemeinde herrscht zudem Streit über den Haushalt, ein dickes Minus steht im Buch. Und die Staatsanwaltschaft ermittelt sowohl gegen den vorhergehenden Bürgermeister wie auch gegen den aktuellen Chef der Stadtpolizei wegen Untreue, Betrug und anderer Delikte. Doch all das ist es nicht, was Virginia Giugno verfolgt. „Ich bin müde“, sagt sie leise, und stützt ihren Kopf mit beiden Händen auf die Lehne eines Stuhls im Sitzungssaal auf. „Ich halte diese Normalität einfach nicht mehr aus.“ [Weiterlesen…]