In wenigen Stunden werden in Italien die bisher geheim eingestuften Dokumente zum Tod der Journalistin Ilaria Alpi freigegeben. Ich habe den Fall in meinem Buch „Die Müll-Mafia“ geschildert.
Alpi war gemeinsam mit ihrem Kameramann Miran Hrovatin in Somalia erschossen worden, weil sie einem Zusammenhang zwischen italienischer Entwicklungshilfe, dem Waffenhandel und der Entsorgung hochgiftiger europäischer Abfälle auf die Spur gekommen war. Die Hintermänner dieser Tat wurden nie ermittelt, Recherchen blockiert, Gerichtsprozesse manipuliert und parlamentarische Untersuchungskommissionen ad absurdum geführt.
Dieses Bild hier zeigt sie bei ihrem letzten Interview mit einem Boss der lokalen Piratengruppe in Bosaso, einem Hafenstädtchen. Dort lag in jenen Tagen auch ein von Piraten gekapertes Schiff am Kai und damit möglicherweise der Beweis für die Richtigkeit von Ilaria Alpis Recherchen. Sie hatte herausgefunden, dass mit italienischen Entwicklungshilfegeldern Schiffe angeschafft wurden, die aber nicht ihrem eigentlichen Bestimmungszweck dienten und somalischen Fisch nach Europa liefern sollten, um so die Wirtschaft des darnieder liegenden Landes in Gang zu bringen. Nein, diese Schiffe transportierten vor allem Waffen und Abfälle nach Afrika, verfügten zum Teil noch nicht einmal über Kühlanlagen für Fisch. Als Gegenleistung für die Belieferung mit Waffen nahm Somalia hochgiftige Abfälle an, die dann vor der Küste des Landes ins Meer geworfen wurden oder sogar an Land vergraben. Es gibt sogar Berichte darüber, dass Italiener einen von deutschen Entwicklungshelfern angelegten Brunnen sprengten, um einen neuen ausgraben und dabei Giftmüll entsorgen zu können.
Ein Teil von Ilaria Alpis Gepäck verschwand auf dem Rücktransport nach Italien, obwohl die Tüte, in der es sich befand, versiegelt worden war. Viele Videoaufnahmen, die Miran Hrovatin und sie in Somalia aufgenommen hatten, sind bis heute verschwunden. Im Archiv des italienischen Parlaments sind einige Videoaufnahmen gelagert, aus denen die hier gezeigten Screenshots gefertigt wurden. Die Timecodes der Aufnahmen sind nicht stimmig, und auf einem Band blitzt plötzlich diese Aufnahme hervor: die eines Maschinengewehrs auf einem somalischen Markt. Offensichtlich recherchierte sie also tatsächlich zum Thema Waffen.
Die Mutter von Ilaria Alpi, Luciana Alpi, wartet noch heute darauf, dass die Mörder ihrer Tochter verurteilt werden. Seit Jahren kämpft sie dafür, endlich denjenigen in die Augen schauen zu können, die für den Tod ihrer Tochter verantwortlich sind beziehungsweise die sie ermordet haben. Ich hoffe, dass die Veröffentlichung der Akten, immerhin rund 2000 Dossiers, Licht in dieses dunkle Kapitel der italienischen Geschichte bringt, denn auch die italienischen Geheimdienste sind in diese Affäre verwickelt.
Auch ein Mann, der heute unbehelligt im Zentrum von Rom lebt und damals in Somalia vor Ort war und für Waffenhändler, Geheimdienste und auch Entwicklungshilfeorganisationen wie SOS Kinderdörfer arbeitete: Giancarlo Marocchino. Er war als erstes am Ort des Attentats auf die beiden Journalisten in Mogadischu. Er nahm unter anderem Ilaria Alpis kleine Fotokamera und einen Notizblock an sich. Von den Dingen fehlt bis heute jede Spur.
Möge endlich, endlich Gerechtigkeit walten.