Antonio Di Leva aus Neapel hat vor vielen Jahren eine Erfindung gemacht, mit der heute viele Millionen Euro verdient werden: die Ein-Portionen-Kaffeedosis, besser bekannt als Kaffee-Pad. Reich geworden ist er damit nicht.
Neapel, November 2009, Crema-Magazin
Er hätte ein großer Erfinder werden können. Doch alles, was Antonino Di Leva blieb, passt jetzt in ein kleines Büro in einem Vorort von Neapel – und auch das wird bald aufgelöst: Ein paar alte Kartons, auf denen ein Aufdruck für seine „Prontadose“ wirbt, stehen in dem Raum, dazu drei Schreibtische und etwas Krimskrams. Zigarettenrauch hängt in der Luft. An einem der Tische arbeitet seine Sekretärin, aber nur einen halben Tag lang, und auch das nur bis die Unternehmensgeschichte endgültig für Di Leva abgewickelt ist.
Der alte Mann sitzt hinter seinem Schreibtisch inmitten des Raumes. Er ascht auf die Glasplatte, schiebt die Asche dann in den Mülleimer und erklärt. „Es ist wichtig, dass Sie die Details verstehen“, sagt er. Denn seine Erfindungen sind etwas Besonderes.
Einige von Di Levas Prototypen von Kaffeemaschinen gibt es heute noch. Di Leva hat sie bis zur Marktreife entwickelt, heute stehen die Kaffeekochkannen in seiner Wohnung. Sie kombinieren das schonende Überbrühsystem der Napoletana mit der Geschwindigkeit der sechseckigen Moka. Es ist ein kompliziertes System, und es war wohl überlegt: Wasser in einem kleinen Dampfkessel im unteren der Kaffeekanne treibt einen Kolben nach oben, der das Wasser in der Kammer über sich durch den Kaffeefilter treibt. So wird das Wasser, das schließlich den Kaffee aufbrüht, nicht zu heiß; es werden weniger Bitterstoffe freigesetzt. Eine andere Maschine mit demselben Prinzip ermöglicht es gar, große Mengen Espresso auf einmal zuzubereiten, etwa für größere Feste. Di Leva ist stolz auf seine Maschinen. „Ich war sogar mehrmals damit im Fernsehen“, sagt er, und zählt die Sendungen auf. Seine erfolgversprechendste Erfindung hat er aber neulich auf den Müll bringen lassen – fast vierzig Jahre nach ihrer Entwicklung.
„Eineinhalb Millionen leere Kaffeefilter hatte ich noch, alle aus Aluminium. Die Entsorgung hat eine Menge Geld gekostet“, berichtet er. Di Leva zeigt dabei keine Regung in seinem kantigen Gesicht. Seine „Prontadose“ war eine visionäre Entwicklung. Beim Spaziergang mit seinem Cousin sei die Idee entstanden, Kaffee in bereits fertigen Portionen zu liefern, berichtet Di Leva, dessen Eltern eine kleine Kaffeerösterei in Salerno betrieben. Der Erfinder versprach sich von dem neuen System mehr Frische; die Portionen sollten einzeln verpackt werden. Antonino Di Leva war zwar von seinen Eltern auf eine Handelsschule in der Schweiz geschickt worden, er knüpfte dort wertvolle geschäftliche Kontakte und arbeitete später auch als Kaufmann. In seinem Herzen ist er aber immer ein Erfinder geblieben.
Die von ihm entwickelten Filter wurden Anfang der Siebziger Jahre tatsächlich produziert und mit Kaffeepulver gefüllt. Ein Gemeinschaftsunternehmen entstand, an dem neben Di Leva auch die Kaffeerösterei Lavazza beteiligt war. Sechs Monate lang liefen die Prontadose vom Band. „Ganz Mailand hing mit Plakaten voll, die für die neue Art warben, Espresso zuzubereiten“, erinnert sich der 79 Jahre alte Senior. Der Kaffeeröster habe sich die Werbekampagne viel Geld kosten lassen. Dann geht Di Leva zu seinem Computer und zeigt Bilder von der Maschinenstrecke, die dafür angeschafft worden war. Jeder der bereits fertig befüllten Filter wurde damit einzeln vakuumverpackt.
„Mein Filter ist vergleichbar den Marmeladenportionen, die man in Hotels auf dem Frühstückstisch findet“, sagt er. „Die reagieren ja auch nicht mit der Säure aus der Marmelade.“ Nur dass bei Di Levas Alufiltern der Boden und der Deckel perforiert waren, damit das Aufbrühen funktioniert. Der glücklose Erfinder labt sich heute an der Gewissheit, dass sein System besser ist als das jetzt weit verbreitete Pad-Brühding. „Kaffee enthält ätherische Öle. Wenn man an einem Pad riecht, bemerkt man immer einen etwas ranzigen Geruch“, sagt Di Leva. Bei seinem Filter sei das wegen des Filtermaterials Aluminium nicht passiert.
Warum die Herstellung nach einem halben Jahr beendet wurde, möchte der Mann eigentlich nicht sagen. Um Familienstreitigkeiten habe es sich gehandelt, sagt er ominös. Mit seinem System habe das jedenfalls nichts zu tun. Und alle drei Teilhaber des Unternehmens hätten sich gütlich geeinigt.
Auch mit seinen Kaffemaschinen, Nike genannt, hatte er keinen großen Erfolg. Die Kaffeezubereiter gingen niemals in Serie. Die Anfangsinvestitionen wären zu hoch gewesen. „Heute wäre das kein Problem, da könnte man die Geräte billig produzieren lassen.“ Damals gab es jedoch noch keine globalisierten Märkte und keine chinesischen Produzenten italienischer Mokas.
Wenn es damals Anfang der Siebziger Jahren anders gelaufen wäre, wer weiß, vielleicht wäre Di Leva heute steinreich. Wie viel Geld er allein mit einer einzigen seiner Erfindung hätte verdienen können, zeigt der Umsatz, der mit den Ein-Portionen-Kaffees gemacht wird, mit den Pads, die man einfach oben in die Maschine legt, den Deckel schließt und auf einen Knopf drückt und kurze Zeit später ist er fertig, der Kaffee. Allein die Original-Lieferanten für die Senseo-Maschine haben seit der Markteinführung des Systems im Jahr 2002 mehrere Milliarden Pads verkauft.
Di Leva brachte seine Erfindung dagegen nur Kosten. Eine Milliarde Lire seien investiert worden, sagt er, nur um die Produktion für die Ein-Portionen-Filter aufzubauen. Das sind rund sechshunderttausend Euro, für die Maßstäbe der Siebziger Jahre eine immense Menge Geld.
Natürlich hat sich Antonino Di Leva seine Erfindung patentieren lassen. Die Urkunde über den Schutz der Ein-Portionen Kaffees ist fast vierzig Jahre alt, sie staubt bei ihm zuhause in der Wohnung langsam ein.
Einige Jahre nach Di Leva entwickelte auch der italienische Kaffeeröster Illy ein Padsystem für Espresso. Doch richtig durchgesetzt hat sich erst das Vlies-Pad, das Douwe Egberts und Philipps für die Senseo-Maschinen entwickelt haben.
Dessen Erfinder mussten vor Gericht eine Niederlage hinnehmen: Ihr Patent greift nicht für die Pads. Hat Di Leva denn von den Herstellern der Vlies-Pads Geld bekommen dafür, dass sie ebenfalls einzelne Kaffee-Portionen anbieten? Nein, sagt er, und er habe auch nie einen Nachahmer verklagt. „Das bringt nichts. Da genügt eine kleine Änderung, und schon greift das Patent nicht mehr.“
All das ist an Di Leva nicht ohne Spuren vorbeigegangen. Er ist hart zu anderen, vor allem aber hart zu sich selbst, sehr hart. „Wenn ich morgen aufwachen würde und wäre halbseitig gelähmt, möchte ich umgebracht werden“, sagt er. Der Mensch muss nützlich sein und Di Leva will niemandem zur Last fallen. Und er hat sich auch schon Gedanken darüber gemacht, was einmal auf seinem Grabstein stehen soll: „Weil ich es allzu gut machen wollte, habe ich nie etwas Gutes zustande gebracht. Als ich schließlich dachte, ich hätte etwas Gutes vollbracht, ist mir klar geworden, dass ich mich komplett getäuscht habe.“
Und so ist dies am Ende die traurige Geschichte eines Mannes, der viele pfiffige Erfindungen hatte, neben den Kaffeemaschinen und dem ersten Ein-Portionen-Filtersystem auch eine Abgasreinigung für seine Kaffeerösterei und viele Verbesserungen in dem umfangreichen Verfahren, dass simple Kaffeebohnen zu einem geschmackvollen Getränk macht. Di Leva besaß zeitweise zwei Bars an besten Plätzen mitten in der Stadt, er belieferte Hotels entlang der gesamten Küste südlich von Neapel und auch mitten in der Stadt. Er war mit mehreren Unternehmen gut im Geschäft.
Heute verbringt er seine letzten Tage als Unternehmer in dem Bürokoben in einem Vorort von Neapel. Schräg gegenüber hat die Camorra vor Kurzem einen Rivalen erschossen. Er fährt mit einer ärmlichen verbeulten Kiste durch die Gegend, immer schön gemütlich. Das Auto lässt er offen stehen, mit dem Schlüssel im Zündschloss. „Das stiehlt sowieso niemand, und so brechen sie es mir wenigstens nicht auf“, erklärt er. Geld, sagt der Senior, sei ihm nicht viel übrig geblieben, mal aus diesem, mal aus jenem Grund.
Vielleicht ist er aber doch nur ein typischer Napolitaner. In der diebstahlfreudigen Stadt zeigt niemand, was er hat. Irgendwann einmal rutscht Antonino Di Leva dann ein Satz raus. Man müsse lügen, sagt er. Wie auch immer.
Antonino Di Leva bleibt noch ein paar Tage das Gefühl, eine Familientradition zu einem guten Ende gebracht zu haben. Und die Gewissheit, dass seine Entwicklungen besser als die ranzigen Vlies-Filter sind. Dann aber ist eine weitere Kaffeerösterei endgültig abgewickelt und Di Leva Rentner.