Luigi Bonaventura war Boss des mächtigsten Clans in Crotone, er beging fünf Morde, seien Männer handelten mit Drogen, erpressten Schutzgeld, das volle Programm. Dann wechselte er die Seiten. Das war 2007. Er berichtete der Antimafia-Staatsanwaltschaft alles, was er wusste, und belastete unzählige frühere Mitstreiter. Das alles aus freien Stücken. Viele Mafiosi werden zu Kronzeugen, weil sie merken, dass ihre Autorität zunehmend in Frage gestellt wird. Bei Luigi Bonaventura war das anders, er wollte seinen Kindern eine freie Zukunft ermöglichen und sie nicht in die Mafia zwingen.
Ich habe 2012 sehr viel Zeit mit ihm verbracht und seine Geschichte aufgeschrieben. Nach unseren Treffen saß er seine Strafe im Gefängnis ab, kam frei und lebt jetzt an einem geheimen Ort. Noch immer arbeitet er mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen. Inzwischen ist Bonaventura Teil einer Gruppe, die sich für einen besseren Schutz von Kronzeugen und deren Familien einsetzt. Denn in Italien weist das staatliche Programm leider sehr viele Mängel auf und muss dringend verbessert werden. Bonaventura ist vom Mafioso zum Antimafioso geworden. Nun hat er einen Brief an die ’ndrangheta geschrieben, um andere vons einem Weg, dem Ausstieg aus der Mafia, zu überzeugen. Hoffentlich fällt sein Vorhaben auf fruchtbaren Boden.
„Meine lieben Ex-Kumpane,
ihr müsst die Kinder zur Schule schicken, ihnen eine andere Zukunft zeigen, wir befinden uns im Jahr 2019, aber was zum Teufel macht ihr? In Rosarno war ich zu Hause und so ihr in Crotone (und auch an anderen Orten), also lasst uns uns nicht mit Gerede aufhalten, ihr wisst, wer ich bin. Rocco, Salvatore, Ciccio (die ihr nicht Teil dieser Verhaftungen seid), diese Sache und anderes hat mich stark berührt und ich habe eine Entscheidung getroffen. Bald werde ich einen Blog (oder etwas ähnliches) beginnen, wo ich Euch sagen möchte, wie es läuft. Ich werde Euch mit Verständnis, Empathie und Ehrlichkeit begegnen, ich werde mit offenen Herzen mit Euch sprechen, um Euch zu sagen, dass bestimmte Dinge nicht mehr in diese Zeit gehören.
Wir alle sind Kinder der mamma ’ndrangheta, Brüder des Unheils wie auch dieses Kind, das für mich wie ein kleiner Bruder ist. Und für ihn und andere werden wir mit dem Komitee zur Unterstützung von Justiz-Kollaborateuren alles im Rahmen unserer begrenzten Möglichkeiten tun, um sie zu schützen und ihnen zu helfen. Wir werden darauf achten, dass sie nicht für die Spekulation benutzt oder instrumentalisiert werden, und wenn je, dann gewiss von der anderen Seite. In diesem Blog werde ich zu meinen früheren Kumpanen aus Reggio Calabria, Crotone, Sinopoli, Santa Eufemia Aspromonte, Gioiosa Jonica usw. [Orte mit starken Mafia-Präsenzen] sprechen. Ich werde zu den Grande Aracri, den De Stefano, den Arena, den Nicoscia, den Piromalli, den Bellocco, den Pesce, den Alvaro, den Pelle, den Mammoliti, den Megna, zu meinen ehemaligen Männern, meiner Familie usw. sprechen. Ihr kennt mich alle, und wenn einige von euch mir auch noch nicht persönlich begegnet sind, wisst ihr doch, wer ich bin und wer mein Großvater war, wer mein Onkel Gianni war, wer meine Familie war.
Ich will Euch fragen, ist das ein Leben? Ist es wirklich das, was Ihr für Eure Kinder und die neuen Generationen wollt? Ist es nicht genug, wie wir leben? Ich weiß, dass der Staat, die Anti-Mafia-Vereine und andere mehr tun können und müssen, aber auch Ihr müsst die Bedingungen schaffen. Ihr könnt kooperieren und ich verstehe, dass es für Euch äußerst schwierig ist. Oder behaltet das Geld, das ihr gemacht habt, und sagt Euch los, haltet ein, und wenn es nötig ist, geht weg. Seht Ihr denn nicht, dass sie jetzt auch versuchen, Euch die Kinder zu nehmen? Zu Recht, wie man Euch die Schuld geben kann, sie im Sinne der ’ndrangheta zu erziehen. Wie viele von Euch sitzen als Mafiosi nach dem Paragraphen 41bis in verschäfter Haft? Ist dies denn ein Leben, für Euch und besonders für Eure Familien? Wie viele liebe Freunde oder getötete Verwandte hat jeder einzelne von Euch?
Kritisiert mich nicht voreilig, ich kenne die mamma ’ndrangheta gut, Ihr werdet sehen, dass ich mit dem Herzen auf der Zunge sprechen werde und viele, viele Schwierigkeiten verstehe, die es gibt. Ich werde Euch sagen, was gut oder auch was schlecht ist auf dieser Seite und warum es richtig ist, auf dieser Seite zu sein, Ich, der ich nicht besser bin als jeder andere und mit so vielen Sünden auf meinen Schultern.
Grüße an alle.
Luigi Bonaventura