Im Jahr 2008 veröffentlichte der Münchener Droemer Verlag ein Buch der Autorin Petra Reski, das sich zu einem Bestseller entwickelte: Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern. In dem Buch schreibt die Autorin über einen heute noch in Deutschland aktiven Gastwirt, der zahlreiche Verbindungen zur Mafia aufweist. Zahlreiche Unterlagen deutscher wie italienischer Ermittler zeichnen ein einheitliches Bild der Mafianähe dieses Mannes, entlastende Momente sind keine vermerkt, sein Umfeld ist detailliert beschrieben und besteht aus Mitgliedern hochrangiger Mafia-Familien. Der beschriebene Gastwirt wehrt sich bereits seit Jahren juristisch dagegen, in die Nähe der Mafia gerückt zu werden. Auch ein Filmteam, das über seinen Fall berichtet hatte, wurde von ihm verklagt.
Was als absurdes Unterfangen erscheinen mag, wird von der Ungenauigkeit des deutschen Gesetzes begünstigt. Denn die deutsche Gesetzeslage sieht die Mitgliedschaft in einer mafiösen Vereinigung nicht als strafbare Eigenschaft, offiziell existieren in Deutschland somit nur Mafia-Mitglieder, die in Italien als solche verurteilt worden sind. Zugleich wird die Beschreibung einer Person als Mafioso als Diffamierung oder üble Nachrede verfolgt. Der im Buch von Petra Reski erwähnte Gastwirt hat daher wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts geklagt – und Recht bekommen.
Der Verlag klagte dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: das Urteil des Münchner Oberlandgerichts verletze sein Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit. Das Gericht lehnte diesen Einwand nun ab.
Petra Reski hatte sich für ihre Recherchen auf interne Dokumente gestützt. Sie hätte, urteilte der Europäische Gerichtshof, weitere Recherchen anstellen müssen. (Absurderweise würden weitere Recherchen aber kaum Entlastendes ergeben, zumindest nicht, wenn man sich an Stellen wendet, die mit der Materie befasst sind.) Auf weitere Recherchen könne eine Journalistin nur verzichten, wenn sie sich auf offizielle, für die Öffentlichkeit vorgesehene Quellen stütze, so der Gerichtshof. Die es aber im Fall des Gastronomen und angesichts der deutschen Gesetzeslage gar nicht geben kann.
Die Autorin hätte vor der Buch-Veröffentlichung eine Stellungnahme des Gastronomen zu den Vorwürfen einholen müssen, stellt das Gericht fest. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, dass Journalisten, die auf gefährlichen Feldern arbeiten, wenig Schutz erhalten. Es wäre durchaus für das Gerichtsurteil zu gewichten gewesen, dass mehrere Ermittlungsbehörden zu gleichlautenden Ermittlungsergebnissen gelangt sind. Und es wäre wichtig gewesen, dies zu tun. Denn die Richter sind sich vermutlich nicht bewusst, dass sie die Hürden für die Berichterstattung über die Mafia so hoch legen, dass sich bald niemand mehr an das Thema herantraut. Und so wird das Recht für einen Sieg der Mafia benutzt.