Dies ist ein Ausschnitt eines Buches eines Rechtsanwaltes, über das ich mich heute sehr geärgert habe. Fast schon als amüsant beschreibt der Autor in dem Buch eine tatsächliche Todesdrohung an einen Belastungszeugen. Ich habe daraufhin dem Autoren eine Email geschrieben. Denn es ist bei Mafiosi leider gang und gäbe zu drohen. Das muss man aber ernst nehmen, es ist ein (häufiger) Skandal – und keineswegs sollte man es so als Petitesse abhandeln, wie das die Autoren dieses Buchs hier tun.
Sehr geehrter Herr Ufer,
Mit Interesse aber auch Ärger habe ich die Passage über Sabatino Ciccarelli gelesen in Ihrem Buch „Nicht schuldig“. Ich anerkenne Ihr Talent, Geschichten schön und spannend zu berichten, allerdings kritisiere ich als Mafia-Experte die darin ausgedrückte Verharmlosung der Mafia-Präsenz in Deutschland, gipfelnd in der gegen Ende beschriebenen Einschüchterung des Kronzeugen im Gerichtssaal. Es ist zutreffend, dass die Figur Vincenzo Esposito nicht eindeutig ist. Gewiss ist aber, dass Sabatino Ciccarelli, genannt „Il Russo“, der Mafia nicht den Rücken zugewendet hat, wie Sie in Ihrem Buch schreiben. Vielmehr ist es so, dass er nach wie vor integraler Bestandteil seines Clans war, obgleich auch in anderer Funktion. Das weiß ich, weil es sein Boss, Carmine Schiavone, mir persönlich gesagt hatte. Schiavone war zum Kronzeugen geworden und hatte seinen Clan schwer belastet.
Ich kann verstehen, dass Sie als Anwalt ein Interesse daran haben, Ihren Mandanten im Hauptverfahren möglichst positiv darstellen zu wollen. Das ist Ihre Aufgabe als guter Anwalt. Ich halte es aber für kropfunnötig, dieses (falsche) Bild auch nach dem Urteil weiter aufrechtzuerhalten. Und es ist – bei allem Respekt – als ignorant zu bezeichnen, die im damaligen Prozess getroffenen Schutzvorkehrungen als lächerlich zu benennen, bedenkt man, wie viele Staatsanwälte und Richter von der Mafia wegen der Ausübung ihres Berufs ermordet worden sind. Unter den unschuldigen Opfern der Mafia sind übrigens auch viele Vertreter Ihres Berufszweiges.
Diese auch von Ihnen hier betriebene Verharmlosung von Organisierter Kriminalität macht es meinen Kolleg*innen und mir, die über Mafia und Organisierte Kriminalität arbeiten, mit dem guten Willen, Verhältnisse wie in Norditalien verhindern zu wollen, wo die Clans ganze Geschäftszweige systematisch unterwandert haben, schwer, Aufklärung zu erreichen.
Sollten Sie ein Interesse daran haben, mehr über die Gefährlichkeit von Mafia-Präsenzen in Deutschland zu erfahren, sprechen Sie mich gerne an. Gerne verweise ich Sie auch auf den Verein mafianeindanke , dessen Vorsitzender ich im Ehrenamt bin. Er hat sich diese nötige Sensibilisierung in Deutschland zur Aufgabe gemacht.
Mit freundlichen Grüßen,
Sandro Mattioli