Schon lange beschäftigt mich ein Thema, vielleicht, weil ich es in die Gene gelegt bekommen habe: die Migration. Ich sehe, wie Europa immer mehr zu dem Gebilde wird, das in dem Film „Der Marsch“ des Briten David Wheatley gezeichnet worden ist: einer Vereinigung von Staaten, die sich gegen Migranten aus Afrika abschottet. Der Film hat damals, 1990, als er im Fernsehen lief, mich stark beeindruckt.
Er erzählt von einem jungen Mann, der einen Protestmarsch mit Einwohnern verschiedener Flüchtlingscamps in Afrika organisiert. Sein Credo: „Wir glauben: wenn ihr uns vor euch seht, werdet ihr uns nicht sterben lassen. Deswegen kommen wir nach Europa. Wenn ihr uns nicht helft, dann können wir nichts mehr tun, wir werden sterben, und ihr werdet zusehen, wie wir sterben und möge Gott uns allen gnädig sein.“ Seine Gegenspielerin in dem Film ist Clare Fitzgerald, die Kommissarin für Entwicklung bei der Europäischen Gemeinschaft. Am Ende kommt es zur Konfrontation an der Grenze.
Inzwischen ist es längst Wirklichkeit geworden, dass Migranten aus Afrika die gefährliche Reise über das Mittelmeer auf sich nehmen, um hier ein besseres Leben zu suchen – auch wenn es natürlich nicht so ist, dass die in ihrer Heimat Bleibenden sterben, wie der Anführer im Film sagt. Diese Reise ist im Übrigen vor allem deshalb so gefährlich, weil Europa es so will.
Ich war kürzlich für das Schweizer Das Magazin in Sizilien, um zu recherchieren. Ich hatte Schlimmes erwartet, aber nicht das, was die Leute dort mir erzählten. Man muss davon ausgehen, dass weit mehr Menschen bei der Überfahrt ums Leben kommen, als man bisher vermutet hatte.
Mich verbittert vor allem, dass es kaum geregelte Einreisemöglichkeiten gibt für Menschen aus Afrika, wo damit doch sowohl den Menschen dort geholfen wäre wie den Staaten in Europa: die afrikanischen Einwanderer könnten ihre wirtschaftliche Situation verbessern und das älter werdende Europa könnte mit einer vernünftigen Politik und entsprechenden Maßnahmen von Wirtschaftsmigranten profitieren. Stattdessen zieht man die Grenzen hoch und fördert damit das Sterben im Mittelmeer.
Foto: Mauro D’Agati