Der Kollege Salvo Palazzolo hat in der Repubblica einen interessanten Text veröffentlicht: Es geht darin um einen Mann, der zunächst als Unternehmer im Bereich der erneuerbaren Energien erfolgreich war und sich dann auf größere Geldwäsche-Operationen verlegte. Der Mann sei einer der Getreuen von Matteo Messian Denaro gewesen, einem unlängst verstorbenen wichtigen Boss der Cosa Nostra. Für die Geldwäsche habe sich der Mafioso auch mit der ’ndrangheta abgestimmt. In dem Artikel erwähnt Palazzolo auch zwei große Finanzinstitute. Über eine Filiale der Deutschen Bank in Frankfurt sei am 4. Dezember 2019 eine Zahlung von 12 Millionen auf ein Konto bei der HSBC ebenfalls in Frankfurt gelaufen. Auch Hacker seien an der Operation beteiligt gewesen. Das ist spannend, denn tatsächlich beschreibe ich die selbe Masche in meinem Buch für den selben Zeitraum und dieselben Finanzinstitute. Beteiligt waren an diesen mutmaßlichen Transaktionen italienische Mafiosi, die in Nordrhein-Westfalen leben, und Hacker aus Deutschland und Italien.
Vom Offensichtlichen
Meinem Buch Germafia steht dieser Satz von Vinicio Capossela voran, der, wie ich finde, großen Charme hat. Da es in meinem Buch auch viel um Versäumnisse im Kampf gegen die Mafia geht, fand ich das Zitat des Cantautore sehr passend. Ich möchte gerne etwas zu Capossela erzählen, der immerhin in Hannover geboren, die ersten drei Jahre seines Lebens dort aufgewachsen und heute einer der bekanntesten Sänger Italiens ist. Eine ganze Reihe von Anekdoten verbinden Capossela und mich. Eine möchte ich herausgreifen, auch wenn sie nichts mit dem Thema Mafia zu tun hat: Mit Freunden ging ich zu einem Konzert in Paestum, Open Air vor einem Tempel. Als wir ankamen, fuhren wir an einer rund 200 Meter langen Schlange vor dem Eingang vorbei. Wir parkten und schritten dann die Schlange ab, auf der Suche nach unseren Freunden. Sie waren noch nicht da, und so kamen wir an den Eingang. Zwei Ordner standen an einem Einlassgitter, es teilte den Weg. In den Freiraum links von ihm mündete die Schlange, rechts davon stand niemand. Niemand!
Ich fragte die Ordner, ob das auch ein Eingang sei. „Ja sicher“, sagten sie.
Ich konnte es kaum glauben und fragte explizit nach, ob wir uns da anstellen können. „Natürlich, es ist ja ein Eingang.“
„Und warum steht dann niemand hier?“
Er zuckte mit den Schultern.
Kult um Verbrecher
Es ist eine merkwürdige Reihe an Blechschildern, die hier in meinem Urlaub verkauft werden: „Wir rufen nicht die Polizei, wir gebrauchen eine Pistole“, der Pate, Narcos und Che Guevara. Wenn die Menschen vor Augen hätten, wie viel Leid die Mafiaclans über andere bringen, sie fänden sie wohl wenig anziehend und entsprechend die Blechtafeln nicht schmückend. In meinem Buch Germafia mache ich immer wieder deutlich, dass Leute, die in Deutschland leben, einzelne Mafiosi, Teil eines Systems sind, was Unschuldige tötet und keinen Respekt vor dem Leben hat. Denn ich glaube, wir gehen sonst der Strategie der Clans auf den Leim.
Wer schreibt, kennt es
Warum ich mich besonders über mein Buch #GERMAFIA freue: 15 Jahre Recherchen zum Thema Mafia in Deutschland bedeutet, das Beste und das Schlechteste des Journalismus‘ zu erleben. Ich habe in diesen Jahren immer wieder Unterstützung von tollen Kolleginnen und Kollegen erfahren. Zugleich habe ich mir wieder und wieder den Kopf eingerannt bei den Versuchen, meine Recherchen in Medien zu platzieren. Wer es nicht weiß: als freier Journalist pitcht man Themenvorschläge. Häufig gibt es gar keine Antwort, wenn man Redaktionen etwas anbietet. Manchmal eine knapp gehaltene Absage. Und selten eine konstruktive Email, die die Gründe erläutert. Umso wichtiger war es für mich, in all der Zeit auch Kunden zu haben, die mir Wertschätzung vermittelten, allen voran das Magazin Crema. Wer Kaffee mag, sollte es abonnieren! Trotzdem tat jede Absage etwas weh. Umso schöner wird es für mich sein, mein Buch bald endlich in Händen zu halten. Und ich hoffe, es wird Ihnen und Euch auch gefallen.
Mit Pornos zum Mafiaclan
Was mich bei meiner Arbeit am meisten fasziniert: Einblicke in eine Welt, die nach gänzlich anderen Kriterien funktioniert. Und die Gespräche, die ich bei Recherchen führen kann. So wie dieses Interview mit Carmine Schiavone, das ich im @dummymagazin platzieren konnte. Schiavone war Boss des als besonders brutal geltenden Clans der Casalesi, bevor er zum Kronzeuge wurde. Ich interviewte ihn auch für Report München zu radioaktiven Abfällen aus Deutschland, die nach Kampanien gegangen sein sollen #GERMAFIA:
– Ich möchte gerne mit Dir über Das Böse sprechen.
– Ja, das kann ich machen. Bei meiner Vergangenheit…
– Schieß los!
– Ich habe dem Bösen abgeschworen und bin Kronzeuge geworden. Aber ich habe immer noch meine Albträume, meine Frau weckt mich manchmal um zwei Uhr in der Nacht.
– Fangen wir bitte ganz von vorne an.
– Ich war Mafioso seit dem Gymnasium. Wir importierten damals Pornofilme aus Schweden, brachten anderen Clans gefälschte Rolex. Wir hatten illegale Spielcasinos und machten Schwarzgeschäfte mit Früchten. Es gab auch schon eine Organisation unten in Casale, meinem Heimatort. Ein paar Leute. Mit dem Krieg gegen die Cutolianer in den Achtziger Jahren wuchs die Gruppe.
– Du gehörtest damals schon zur neapolitanischen Camorra?
– Nein! Zur Mafia! Wir waren Mafia! Die Cosa Nostra Campana!
Ein Fundstück in Kalabrien
Christian filmte noch das trockene Flußbett, ich spazierte einige Meter herum. Hier in Africo in Kalabrien soll die ’ndrangheta radioaktive Abfälle entsorgt haben, vermutlich waren sie schon längst ins Meer geschwemmt, im Winter, wenn das Wasser anschwillt. Aus dem Dreck blickten mich zwei winzige Augen an, ich lockerte mit Tritten den hartgewordenen Schlamm um das Gesicht herum. Ein Relikt schälte sich aus dem Dreck, vielleicht Teil einer antiken Statue, vielleicht billiger Touristennippes. Ich male mir aus, wie dieser Steinbrocken Teil eines wertvollen antiken Throns war, den die ‘ndrangheta lieber in Trümmer geschlagen hat als dass der Staat ihn beschlagnahmen konnte. Wer weiß, was das hier ist?
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